Der neue Sonntag des Wortes Gottes am 3. Sonntag im Jahreskreis (erstmals: 26. Januar 2020)
Papst Franziskus hat einen «Sonntag des Wortes Gottes» für die ganze Kirche ein geführt, der erstmals am 26. Januar 2020 gefeiert wird:Die Bibel soll mehr Stellenwert in der Kirche bekommen! Wir informieren in einem Dossier, das von der Bibelpastoralen Ar beitsstelle des Schweizerischen Katholischen Bibelwerks erarbeitet wurde, über die Hintergründe und die Möglichkeiten, den Sonntag zu feiern.
Die Bibel an der Gemeindeversammlung?
Stellen Sie sich vor, Sie gehen zur nächsten Gemeindeversammlung an Ihrem Wohnort. Doch dann wird nicht über das nächste Budget, die neue Kindertagesstätte oder über den Sozialdienst diskutiert, sondern aus einem alten Buch vorgelesen: Es handelt von Mose und der Befreiung aus Ägypten, vom Gott Israels und der Offenbarung am Sinai. Wie würden Sie wohl reagieren? Was haben die alten Geschichten mit unserer Gegenwart von heute zu tun?
So ähnlich erzählt es das 8. Kapitel des Nehemia-Buches im Alten Testament: Vor 2500 Jahren – einige Menschen waren
schon länger aus dem babylonischen Exil zurückgekehrt, und der Jerusalemer Tempel wieder aufgebaut – habe sich die Bevölkerung Jerusalems am «Platz vor dem Wassertor» versammelt. Dort sei das Buch der Weisung vorgelesen worden: die fünf Bücher Mose (von Genesis bis Deuteronomium). Stundenlang hätten die Menschen zugehört: Männer, Frauen (ausdrücklich genannt!) und «alle, die es verstehen konnten (Nehemia 8,3).
Die Menschen, so wird erzählt, seien tief berührt gewesen: Sie sahen ihre persönlichen Erfahrungen zwischen Exil und Rückkehr plötzlich in der alten Geschichte vom Auszug aus Ägypten ins «Gelobte Land» widergespiegelt. So wird ihnen die Bibel zum Gegenüber, lässt sie ihr Leben neu verstehen und gibt ihnen Orientierung.
Mit dieser Erzählung aus dem Nehemia-Buch erläutert Papst Franziskus, was er sich vom neueingeführten «Sonntag des Wortes Gottes» erhofft: Die Bibel «kann nicht nur einigen wenigen gehören, geschweige denn eine Sammlung von Büchern für wenige Auserwühlte sein. Sie gehört vor allem dem Volk, das versammelt ist, um sie zu hören und sich in diesem Wort selbst zu erkennen» (Nr.4 des Papstschreibens).
Dem soll der neue Bibelsonntag genauer: der «Sonntag des Wortes Gottes» – jeweils am 3. Sonntag im Jahreskreis dienen. Bei der Begegnung mit der Bibel gebe es, wie der Papst mit einem Gebet des Hl. Ephräm schreibt, «ebenso viele Möglichkeiten, dein Wort zu deuten, wie Menschen, die es studieren» (Nr.1). Für den Bibelsonntag ist also nicht ExpertInnen-Wissen gefragt, sondern viele einzelne Menschen, die sich auf eine neue Begegnung mit der Schrift einlassen und dabei auch von Christus, dem Auferweckten, berührt werden: «Er öffnete ihren Sinn für das Verständnis der Schriften», heisst es in der Erzählung von den Emmaus-Jüngern am Ostermorgen (Lukasevangelium, Kap.24). Diese Erzählung ist der zweite Bibeltext, denPapst Franziskus in seinem Schreiben ausführlich auslegt. So soll auch der Bibelsonntag die Augen öffnen für das tiefe, erfüllte Leben, das allen Menschen zukommt, für gute Beziehungen untereinander, für Frieden und Gerechtigkeit.
Bibellesen und der Heilige Geist
Beim Bibellesen ist der Heilige Geist zentral, so der Papst – und zwar in jedem Menschen und ganz besonders, um zu einer aufgeschlossenen, weltzugewandten Lektüre zu finden: «Ohne sein Wirken gäbe es immer die Gefahr, im bloss geschriebenen Text eingeschlossen zu bleiben. Das führt leicht zu einer fundamentalistischen Auslegung, von der man sich fernhalten muss, um den inspirierten, dynamischen und spirituellen Charakter des biblischen Textes nicht zu verraten.» (Nr.9) DerHeiligeGeist «ist auch in denen am Werk, die auf das Wort Gottes hören» (Nr.10).
Warum (jetzt) ein neuer Bibelsonntag?
«Schon wieder ein neuer Themensonntag? Ist nicht schon jeder Sonntag ein Bibelsonntag?» So lauten manche Einwände gegen den Sonntag des Wortes Gottes (und andere «Themensonntage» im Laufe des Kirchenjahres). Diese Anfragen sind berechtigt. Trotzdem: Was nicht besonders gewürdigt wird, geht im Alltag zu schnell unter. Es lohnt sich, der Bibel besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Viele Länder und Bischofskonferenzen, viele Bibelwerke (auch wir) und viele «bibelverliebte» Einzelpersonen haben sich deshalb seit Jahrzehnten für einen Bibelsonntag eingesetzt. Jetzt kann die Chance beim Schopf gepackt werden: Die lebendige, wertschätzende Begegnung mit der Bibel soll nicht «einmal im Jahr» stattfinden, sondern einmal für das ganze Jahr, wie Papst Franziskus schreibt (Nr.8). Konkreter Anlass war eine Bitte der Katholischen Bibelföderation KBF, des Dachverbandes kath. Bibelwerke, für ein Bibeljahr 2019/20. Dieses Bibeljahr hat der Papst nun nicht ausgerufen – doch dafür den lang ersehnten Bibelsonntag eingeführt.Der Bibelsonntag, die Ökumene und der christlich-jüdische Dialog
Papst Franziskus hat den «Sonntag des Wortes Gottes» auf den 3. Sonntag im Jahreskreis gelegt (Ende Januar) – eine Zeit vieler Initiativen für Bibel, Ökumene und jüdisch-christliche Begegnung. Vielerorts werden im Januar bereits ökumenische Bibelwochen veranstaltet. Am 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, wird der Internationale Gedenktag für die Opfer der Shoah (Holocaust) begangen. Und in der Schweiz wird der zweite Fastensonntag seit 2011 auch als «Tag des Judentums» gefeiert. Diese und weitere wichtige Initiativen sollen vom neuen Bibelsonntag nicht konkurrenziert werden – im Gegenteil: Der Papst hält ausdrücklich fest: «Dieser Sonntag des Wortes Gottes fällt so ganz passend in den Zeitabschnitt des Jahres, in dem wir unsere Beziehungen zu den Juden zu festigen und fär die Einheit der Christen zu beten eingeladen sind. Es handelt sich dabei nicht um ein bloss zeitliches Zusammentreffen: Die Feier des Sonntags des Wortes Gottes ist von ökumenischer Bedeutung, denn die Heilige Schrift zeigt denen, die auf sie hören, den Weg, der beschritten werden muss, um zu einer authentischen und soliden Einheit zu gelangen.» (Nr.3)
Auf der Homepage des Bibelwerkes werden auch Unterlagen zur ökumenischen Feier des Bibelsonntags zur Verfügung gestellt, damit der neue Bibelsonntag bestehende Feiern vertiefen kann und nich tkonkurrenziert.
Wie den Bibelsonntag feiern?
Es gibt viele Möglichkeiten, den Bibelsonntag zu feiern – in Bibelgruppen, als Einzelne und natürlich als Pfarrei im Sonntagsgottesdienst, ob als Wort-Gottes-Feier oder in der Eucharistie. Dabei muss das Rad nicht neu erfunden werden. Viele Ideen stehen schon auf den Webseiten des Bibelwerks (www.bibel werk.ch) und des Liturgischen Instituts (www.liturgie.ch) zur Verfügung. Für den Bibelsonntag werden wir sie fortlaufend ergänzen. Konkrete Anregungen und Modelle für Gruppen, Einzelne und Gottesdienste werden ab 15. Januar zur Verfügung stehen:
➢ Bereiten Sie sich auf die Bibeltexte des Bibelsonntags vor: Lesetipps und Bibelarbeits-Unterlagen helfen Ihnen, als (Bibel-)Gruppe oder auch als Einzelne mit den Lesungen und dem Evangelium des Bibelsonntags vertraut zu werden.
➢ Bereiten Sie in einer Gruppe und mit dem Seelsorgeteam/dem Pfarrer den Bibelsonntags-Gottesdienst in Ihrer Pfarrei vor: Einfache Formen wie eine Evangeliumsprozession, besonders gestaltete Lesungen, Lieder usw. helfen dabei, dass die Bibel in diesem Gottesdienst zum besonderen Erlebnis wird.
➢ Vertiefen Sie ökumenische Verbundenheit: Feiern Sie den Bibelsonntag in einem ökumenischen Gottesdienst! Auch dafür stellen wir Anregungen und Unterlagen zur Verfügung.
➢ Das Schreiben des Papstes im Original enthält ebenfalls Anregungen zur Gestaltung. Wir haben es auf unserer Webseite www.bibelwerk.ch verlinkt.
➢ Bleiben Sie dran: Für die Fastenzeit bieten wir zahlreiche Unterlagen an, die sich für das Bibellesen in Gruppen und alleine eignen. Besonders empfehlen wir «Lectio Divina», eine Methode, die Austausch und Informationen zum Text mit spiritueller Vertiefung verbindet.
Katholisches Bibeljahr 2019/20
Ein «richtiges» Bibeljahr in der Schweiz muss ökumenisch sein – davon sind wir im Schweizerischen Katholischen Bibelwerk überzeugt. Deshalb haben wir zurückhaltend auf die Initiative zu einem internationalen katholischen Bibeljahr reagiert, die die Kath. Bibelföderation lanciert hat. Wir empfehlen für dieses Jahr aber besondere Begegnungen mit der Bibel nach der «Lectio divina»-Methode, die Austausch und Informationen zum Text mit spiritueller Vertiefung verbindet.
Hl. Hieronymus (347–420 n. Chr.)
Papst Franziskus hat das Schreiben zur Einführung des Bibelsonntags am Gedenktag des Hl. Hieronymus veröffentlicht .Hieronymus ist DER Bibelübersetzer der Antike: Er stammte aus dem heutigen Kroatien und studierte in Mailand, Rom und Trier, bevor er 373 erstmals nach Syrien aufbrach. Dort lernte er Griechisch und Hebräisch und lebte zeitweilig als Einsiedler. Von 386 bis zu seinem Tod am 30. September 420 lebte er in Betlehem/ Palästina. Während dieser Zeit schrieb er Kommentare zu biblischen Büchern und übersetzte die ganze Bibel aus dem Hebräischen und Griechischen in die neue Weltsprache, das Lateinische: die sogenannte «Vulgata» (die «gebräuchliche» Bibelausgabe). Hieronymus gilt deshalb als Patron von ÜbersetzerInnen und TheologInnen – und wird gegen Augenleiden angerufen…
Der Bibelsonntag: Ein Fest …
In der Erzählung im Nehemia-Buch heisst es, die Leute seien bei der Verlesung der Tora so berührt gewesen, dass sie sogar geweint hätten. Darauf hätten die Verantwortlichen gesagt: «Nun geht, haltet ein festliches Mahl und trinkt süssen Wein! Schickt auch denen etwas, die selbst nichts haben; denn heute ist ein heiliger Tag zur Ehre unseres Herrn. Macht euch keine Sorgen!» (Nehemia 8,10) Das ist ein wunderbares Motto auch für den Bibelsonntag: Wenn nur schon ein wenig von dieser Festfreude am Bibelsonntag erfahrbar wird, hat er sich schon gelohnt!
Detlef Hecking
Bibelpastorale Arbeitsstelle
des Schweizerischen Kath.Bibelwerks