Sich auf das Sterben vorbereiten

Ein Gebot der Nächstenliebe

Bild oben: © by_Peter Franz pixelio.de

Das erste und wichtigste Gebot der Bibel besteht darin, dass ich Gott mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit meinem ganzen Denken und mit meiner ganzen Kraft liebe und auch meinen Nächsten liebe wie mich selbst.

Worin aber besteht die Liebe zu meinem Nächsten? Als Antwort auf diese Frage liesse sich nun ein ganzer Katalog von Möglichkeiten auflisten, die unsere Nächstenliebe konkretisieren würden. Ich lade Sie heute aber ein, über einen ganz besonderen Aspekt der Liebe nachzudenken, der auf den ersten Blick vielleicht befremdlich ist und den wir sehr oft aus unserem Denken verdrängen, sei es, weil wir meinen dafür zu jung zu sein, oder einfach, weil er uns beunruhigt, ja ängstigt. Ich meine die Sterbevorsorge als Ausdruck der Liebe zu meinem Nächsten, vor allem zu meinen engsten Angehörigen, Freunden und Kindern.

Ich muss sterben
«Das Leben ist das Wartezimmer des Todes». Wir wissen von Anfang an, dass wir sterben werden – auch wenn wir nicht wissen wann, wo und wie, aber wir wissen, dass wir eines nahen oder fernen Tages sterben werden und zwar jeder einzelne von uns ganz direkt und persönlich. Hier gibt es keine Stellvertretung und niemand kann sich vor diesem Schritt drücken, ein Schritt, der manchen von uns schwerfällt, da wir Dinge und Personen, die uns viel bedeuten, loslassen müssen. Niemand beschäftigt sich gerne mit dem Tod. Und doch ist dies irgendwann unumgänglich.

Die Erfahrung zeigt, dass manche Familien, die jahrzehntelang in Frieden und Harmonie miteinander gelebt haben, nach dem Tod eines Angehörigen zerbrechen, ja gegeneinander teure Prozesse führen, weil sie das Gefühl haben, sie seien bei einer Erbschaft betrogen oder hintergangen worden. Nach Meinung des St. Galler Juristen Thomas Geiser haben diese Auseinandersetzungen vor Gericht «meist gar nichts damit zu tun, wie viel vorhanden ist. Da kann es um ganz un–bedeutende Dinge oder aber um Millionen gehen. Bei sehr vielen Erbstreiten geht es auch nicht ums Erben selbst, viel-mehr ist es die letzte Möglichkeit, in der Familie Rechnungen zu begleichen». Auch hier, ja besonders hier, wäre mehr Nächstenliebe gefordert!


Foto: aymane jdidi/pixabey

Mein Testament
Jeder Mensch kann vorübergehend oder auf Dauer die Fähigkeit verlieren, den eigenen Willen zu äussern, Entscheidungen zu treffen und Geschäfte abzuschliessen. Wer für diesen Fall nicht vor-sorgt, kann sich selbst, seine Familie oder auch seine Firma in erhebliche Schwierigkeiten bringen. Dies zu verhindern und zum Erhalt des Friedens in der Familie oder in seiner Firma beizutragen, ist ein letzter Liebesdienst, den jemand seinen Nach–kommen machen kann. Jeder soll sei-ne Angelegenheiten vor seinem Tod möglichst gerecht und fair regeln und seinen letzten Willen klar ausdrücken, sei es durch ein Testament, sei es durch ein anderes notariell beglaubigtes Schreiben, in dem er/sie für den Todesfall Be–stimmungen trifft, auch im Blick auf bestimmte Personen, mit denen man besonders verbunden war, und auch um gewisse Streitigkeiten zu vermeiden oder um be-stimmte Personen von der Erbberechtigung auszuschliessen.

Wer sich mit seinem letzten Willen, sei-nem Testament, befasst, realisiert, dass es nicht einfach ist, dies zu formulieren. Es geht darin ja im wahrsten Sinn des Wortes «ans Lebendige», es handelt von Dingen, Wertgegenständen, oder auch von Liegenschaften, in die man vielleicht viel Zeit und Energie investiert hat, die einem dadurch auch lieb und teuer wurden, und die man nun zurücklassen muss. Es ist aber auch ein Abschiednehmen von Hoffnungen, Wünschen und Erwartungen. Wem es aber gelingt all dies loszulassen, kann dadurch zu einem grossen inneren Frieden und zu Gelassenheit finden, die hilft, ohne Angst dem entgegenzugehen, was auf den Sterbenden zukommt. Es ist wichtig gemeinsam mit Vertrauenspersonen darüber zu reden, dass das Leben endet – und dann gemeinsam zu überlegen, wo man sterben möchte, wer dabei sein soll, ob die Medizin alles Machbare tatsächlich durchführen muss. Diese wichtigen Fragen sollte man aber nicht erst in der letzten Lebenswoche besprechen, denn manchmal braucht es Zeit, um alles zu organisieren und die letzten Wünsche zu erfüllen.

Das Reden über seine Bedürfnisse und letzten Wünsche ist eine Umsetzung des grössten und ersten Gebotes der Bibel, nämlich der Eigenliebe.

Die Bestattung
Im Zusammenhang mit dem Loslassen stellt sich auch die Frage nach lebensverlängernden Massnahmen. Diese sind zuzulassen, doch besteht aus ethischer Sicht keine Verpflichtung, diese medizinischen Behandlungsmöglichkeiten bis zum Letzten auszuschöpfen. Wenn die Behandlung nur das Sterben verlängert, ist es an der Zeit, loszulassen. Wer selbstbestimmt sein Leben gestaltet, wird dies auch in Zeiten der Krankheit und beim eigenen Sterben wollen. Es ist möglich z. B. in einer Patientenverfügung festzulegen, welche medizinischen Massnahmen ergriffen und welche vermieden werden sollen.

Nützliche Hinweise zur Sterbevorsorge sind auf folgenden Internetseiten zu finden:
https://vorsorge.redcross.ch
www.patientenverfuegung-srk.ch (vom schweizerischen Roten Kreuz)

Wenn ein Mensch stirbt, müssen die Angehörigen oder Vertrauenspersonen über die Art der Bestattung, die Form der Mitteilung zu ihrem Tod und die Trauerfeier entscheiden. Manchmal beginnt der Streit in der Familie oft schon damit, wie jemand begraben werden soll – ob man kremiert oder nicht. Solche Uneinigkeiten können sich später in einem Erbstreit manifestieren. Man kann vieles davon vermeiden, wenn dies schon zu Lebzeiten geregelt wird indem man seine Wünsche festhält und die wichtigsten Dokumente geordnet hinterlässt. Dadurch werden die Angehörigen unterstützt und entlastet. Es spielt dabei keine Rolle, ob sich jemand für eine Erdbestattung oder eine Kremation entscheidet. Beide sind nach katholischem Verständnis möglich, sofern eine Verbrennung kein Ausdruck da–für ist, dass jemand nicht an ein Weiterleben nach dem Tod glaubt. Der Glaube eines Menschen kann für die Angehörigen auch bei der Suche nach dem letzten Willen eines Verstorbenen eine grosse Hilfe sein. Sie können sich dann fragen: Von welcher Hoffnung hat der schwerkranke, sterbende Mensch gelebt und wie würde er sich jetzt in dieser Situation entscheiden? Was ist sein mutmasslicher Wille? Ein glaubender Mensch, der eine Hoffnung auf die Ewigkeit hat, wo er die Menschen trifft, die ihm vorausgegangen sind, wird anders sterben als ein nur im und am Leben orientierter Mensch. Ein gelebter Glaube setzt immer auch Zeichen der Liebe so–wohl zu Gott als auch dem Nächsten gegenüber.


Foto: Poss

Organspende
Eine weitere Möglichkeit, über den Tod hinaus Nächstenliebe zu praktizieren, sehen die christlichen Kirchen insgesamt in der Organspende. Selbstverständlich muss jeder Organverpflanzung eine sorgfältige Prüfung vorausgehen. Papst Franziskus nannte die Organspende eine «edle und verdienstvolle Tat» wenn sie aus freien Stücken und «auf ethisch akzeptable Weise» geschieht. Eigene Organe für Kranke zur Verfügung zu stellen, entspreche nicht nur der sozialen Verantwortung, sondern sei auch ein Zeichen umfassender Solidarität und Nächstenliebe. Ausdrücklich ermunterte er Christen zur Organspende. Es handle sich um «ein Geschenk für den leidenden Herrn, der sagte, dass wir alles, was wir für einen notleidenden Bruder getan haben, für ihn getan haben», so Franziskus. Bei aller kontroversen Diskussion über die Frage, wann ein Mensch denn eigentlich tot sei und ihm die Organe entnommen werden können, bleibt festzuhalten, dass Voraussetzung für eine legitime Organspende ist, dass auf den Spender kein Druck aus-geübt wird, kein Geld fliesst, mit dem Körper des Verstorbenen pietätvoll umgegangen und die Verteilung der Organe vor möglichem Missbrauch geschützt wird. Bereits Papst Benedikt XVI. sagte bei einer Ansprache im Jahr 2008, «Der Akt der Liebe, der durch die Spende der eigenen lebenswichtigen Organe zum Ausdruck kommt, bleibt ein echtes Zeugnis der Nächstenliebe, die über den Tod hinaus zu blicken weiss, damit immer das Leben siegt».

Gutes zu Lebzeiten tun
Viele Menschen haben in ihrem Leben Gutes erfahren und möchten andere an diesem Glück teilnehmen lassen. Sie möchten über ihr Leben hinaus ein wirkungsvolles Zeichen der Nächstenliebe setzen, indem sie in einem Testament auch Menschen in Not berücksichtigen, denen sie etwas von ihrem Vermögen zukommen lassen wollen, denn nachdem Angehörige und Freunde gut versorgt sind, bleibt ihnen noch etwas übrig, das ihre tätige Nächstenliebe über die irdische Lebenszeit weiterleben lässt. Manchmal scheint es aber angeraten, schon zu seinen Lebzeiten sein Vermögen unter seinen Angehörigen aufzuteilen oder auch an wohltätige Institutionen zu spenden. Oft kann ein nachträglicher Erbstreit verhindert werden, wenn die Mutter oder der Vater einen Grossteil ihrer/seiner Güter bereits auf die Kinder verteilt und nur mehr das behalten hat, was für ein gutes und sorgloses Leben im Alter nötig ist.
                                                                                                                                       Paul Martone

Die Caritas Vorsorgemappe enthält eine Patientenverfügung, einen Vorsorgeauftrag, Anordnungen für den Todesfall sowie einen Leitfaden zum Testament. Alle Dokumente sind auch einzeln und in den Sprachen Französisch und Italienisch erhältlich.
Caritas Schweiz. Unter https://www.caritas.ch/de/startseite.html finden Sie den Shop, und da unter Vorsorge: die Vorsorgemappe – «Selbstbestimmt leben»