Glaube und Musik gehen seit jeher mit einander einher. Nicht erst Augustinus meinte: wer singt, betet doppelt. Zahlreiche Stellen in der Bibel bezeugen, dass Gebet und Gottesdienst immer schon mit Musikverknüpftwaren. Jubal, der Stammvater der Leier und Flötenspieler (Gen 4), Aarons Schwester Mirjam mit Pauken und Tanz (Ex 15) sind zwei Beispiele. Die Psalmen inspirieren durch alle Zeiten, das persönliche Gebet inMusik auszudrücken. «Ist jemand guten Mutes? Dann soll er ein Loblied singen» (Jak).Sowie alle Lebens lagen vor Gott Platz haben, können sie auch alle in Musik, in Dur und moll, Aus druck finden.
Musikgeschichte ist bis ins 20. Jahrhundert hinein zu einem grossen Teil Kirchenmusikgeschichte! Der ewige Lobpreis (laus perennis) der zu Beginn (ab 515) im Klostervon Saint-Maurice VS gepflegtwurde, gilt als älteste Quelle musikalischer PraxisinderSchweiz. Schon früh sangen Pilger auf der Wallfahrt. «Echte» Mehrstimmigkeit wird ab dem 14.Jh. ebenfalls in Saint-Maurice erstmals bezeugt. Die Orgel, als Königin der Instrumente, hat hierzulande einen hohen Stellenwert. Auf Valeria (Sitten) steht die älteste spielbare Orgel derWelt.
Kirchenmusik ist Teil der Kirche, einer ecclesia semper reformanda, einer Gemeinschaft, die immer wieder versucht, die Zeichen der Zeit zu lesen und eine entsprechende Sprache zu finden. Im Zuge der Klassikstand die Kirchenmusik an einem Scheideweg: ist «Kunst um der Kunst willen» die richtige Richtung? Wie die Kirche hat auch Kirchenmusik ihren Weg immer wieder gesucht, damit gerungen, zwischen Verweltlichung und Vergeistigung, um zwei Extreme zu nennen. So schreibt der Walliser Domherr Julius Eggs 1934 im Jahrbuch von Gesangs stücken nach Art weltlicher Lieder, mit «Arien, Solos, Duetten, theatralischen und konzertierenden Allüren» oder über ein «Tantum Ergo» nach der Melodie «Guter Mond, du gehst so stille».
Ein wichtiger Name in der Weiterentwicklung der Kirchenmusik ist H.H. Dr. Franz Xaver Witt, der 1868 den «Allgemeinen Deutschen Cäcilienverein» gründete. Daraus entstanden auch hierzulande Cäcilienchöre und verbände, die sich fortan um Aus und Weiterbildung im Bereich Kirchenmusik engagieren. Ziel dieser Bewegung war und ist es, Liturgie und Musik wieder näher zusammen zu bringen und gemeinsam mitzuwirken zum Lobe Gottes und zum Heil der Menschen.
Der deutschsprachige Raum – Stichwort liturgischeBewegung – war eine treiben de Kraft zur Erneuerung der Liturgie, die im Zweiten Vatikanischen Konzils gipfelte. Gottesdienste werden mitgestaltet von verschiedenen Rollenträger, das Volk soll nicht Konsument oder Zuhörer bleiben, oder parallel zur Liturgieprivate Frömmigkeitüben.Tätige Teilnahme, die ses Stichwort prägt bis heute. Wir reden zudem nicht mehr von Ordinarium und Proprium, sondern von Aktionsgesängen, Begleitgesängen, Akklamationen und Rufen. Freilich ist die Reform des Konzils noch nicht abgeschlossen. Errungenschaften wie Antwortpsalm, Kantor oder die Förderung der Tagzeitenliturgie im Gottesvolk brauchen noch Zeit.
Es gibt heute eine breite Palette an Kirchenmusikern, die versuchen in der
Sprache von heute und ebenso traditionsbewusst die Frohbotschaft zu verkünden:Kirchenmusik ist heute nicht nur Kirchenchor und Orgel, es ist Lobpreis, Volksgesang, Jodlermesse, Musik aus aller Welt, Jazz, Pop, irisch und nordisch usw. Die Kirche schliesst keinen Stil, keineSprache, keine Kulturaus dem Lob preis Gottes aus. Suchen wir Wege, die Menschen von heute berühren und für eine wahre Gottes begegnung öffnen!
Das Kirchenklangfest cantars zeigt auf, wie breit und bunt heute Kirchenmusik ist. Was 2011 im Bistum Basel begann, fand 2015 seine Fortsetzung in weiten Teilen der Schweiz: 12000 Mitwirkende, 33 cantars Tage, 440 Programmpunkte, 95‘000 besetzte Plätze zeugen von grossem Anklang. 2021 wird es wieder statt finden: Kirchenklang–vielseitig und generations übergreifend–einKirchenvolksfest, das Menschen unterschiedlicher Kultur und Herkunft zusammenbringt. Cantars 2021 will das überlieferte Werk pflegen und zeitgenössisches sakrales Schaffen heutiger Kirchen und Kulturengagierter präsentieren, vielseitig und vielschichtig. Sakrale Musik und Kultur ist zeitlos und attraktiv. Cantars beschwingt den kirchlichen Alltag und stärkt die Kirchen. Koordiniert und unterstützt wird der Anlass durch den Schweizerischen Kath. Kirchenmusikverband SKMV, in enger Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Kirchengesangsbund SKGB und weiteren regionalen Kirchenmusikverbänden und institutionen, von März bis Juni 2021. Mehr dazu unter www.cantars.org
Zum Schluss habe ich vier Personen ein paar Fragen zum Thema Kirchenmusik gestellt. Die Antworten zeigen auf, wie breit gefächert der Bereichheuteist.
Die Fragen gingen an Cornelia, Primarlehrerin, Gebetsgruppen- und Lobpreis- leiterin; an Johannes, Musikdirektor, Kirchen und Schulmusiker, Chordirigent, Organist; an Carmen, Organistin, Orgellehrerin, Chordirigentin; sowie an Rolf, Priester und Lobpreisleiter.
Was ist für dich Kirchenmusik?
Cornelia: Spontan denke ich beim Be griff «Kirchenmusik» an meine eigenen Kindheitserfahrungen von Musik in der Kirche, also Orgeltöne und klassische Lieder in gehobener Sprache. Obwohl ich an Jugendfestivals und Gebetsabenden eine andere Seite von Lobpreis kennenlernen durfte, verbinde ich Lobpreis noch kaum mit der standard mässigen Kirchenmusik.
Johannes: Ein Begriff, dem leider ein verstaubtes Image anhaftet. Musik in der Kirche soll lebendiger Ausdruck des Feierns, der Freude über Gottes Grösse und Gnade sein.
Carmen: Kirchenmusik ist für mich Be standteil der Liturgie. Als Kirchenmusiker ist es meine Aufgabe das Evangelium musikalisch zu verkünden. Deshalb ist Kirchenmusik die Sprache der Kirche, und sollte nicht x-beliebig durch Main stream Musik ersetzt werden. Ausgenommen aus pastoralen Gründen wie bspw. bei Jugendgottesdiensten oder der Beerdigung, wenn es den Stil des Verstorbenen widerspiegelt.
Rolf: Musik und Gesang in der Kirche sind ein wichtiges Element in der Liturgie und nicht NUR eine Verschönerungder Messe. DieFormulierung:«die musikalische Um rahmung des Gottesdienstes» stimmt für mich gar nicht.
Was für Entdeckungen hast du im Bereich Kirchenmusik
in den letzten Jahren gemacht?
Cornelia: Im Kirchenchor habe ich fest gestellt, das seine englische Gospelmesse für viele Mitglieder bereits eine echte Herausforderung darstellt und dennoch Freude und Schwungbewirkt. Im Bereich von deutschem Lobpreis herrscht endlich ein Aufblühen, denn Gebetshäuser, frei kirchliche Gemeinden und verschiedene Bands produzieren mitreissenden und tiefgründigen Lobpreis.
Rolf: Ich nehme eine Professionalisierung der Musik in den Gottesdiensten wahr. Wurde früher die Liturgie von dorfeigenen Gesangvereinen, Chören und Musikern begleitet, werden heute vermehrt Profimusiker engagiert, was sich auf die Qualität auswirkt und die Vereine zu Höchstleistungen animiert. Ich habe alle Achtung vor dieser wertvollen Arbeit.
Was hätte deiner Meinung nach noch mehr Platz in der Kirchenmusik verdient?
Johannes: Wir hätten keine imposanten Orgelwerke von Bach und keine wunder baren Messen von Mozart, wenn nicht zu allen Zeiten neue Musik zum Lobe Gottes entstanden wäre. Qualitativ hochwertige Musik auch aus den Sparten Pop, Rock und Jazz dürfen vermehrt Einzug in unsere Liturgien halten, sind sie doch die Musiksprache des 21.Jahrhunderts.
Carmen: In Deutschland Tradition, bei uns leider nicht: der Posaunenchor! Wenn Blechbläserklang und dann noch die Orgel und das Volk beim Einzug bei einem grossen Kirchenfest zusammenwirken, dann feiern wir wahrhaftig Gottesdienst.
Rolf: Ich wünschte mir mehr Mut zu Experimenten und zur Einsetzung moderner Instrumentierung. Aber ich schätze auch sehr eine klassische Darbietung einer Liturgiefeier.
Welche Kirchenmusik spricht dich an?
Carmen: Nach wie vor die Lateinischen Messe Kompositionen. Es ist die Sprache der Kirche. Und wer sich damit befasst, versteht die immer wieder kehrenden Worte ohne Latein studiert haben zu müssen. Zu dem ist es auch die Klassische Musik, die gefühlsmässig bereits tiefer geht, die noch für alle gefällig ist unds o mit fürs Volk verständlich.
Rolf: Musik muss authentisch sein. Wenn die Musikzierenden Freude am Spiel und Gesang haben sind die Grenzen sehr weit.
Johannes: Jede Musik, bei der Sorgfalt in der Komposition, der Ausführung und der Rezeption zu spüren ist, spricht mich an. Jede Musik, die von Herzen kommt und nicht billige Unterhaltung sein will, kann auch Musik in der Kirche sein.
Daniel Rotzer
Fotos cantars