Anpassung der Kirche an heutige Verhältnisse

Foto: Poss

Papst Franziskus will einen synodalen Weg des Aufeinander-Hören

Papst Franziskus will die katholische Kirche synodaler machen: Am 9. Oktober begann dafür ein auf zwei Jahre angelegter weltweiter synodaler Prozess. 

Nicht nur im Vatikan
Das heisst, dass dieses Mal nicht einfach eine mehrwöchige Sitzung von Bischöfen und anderen kirchlichen Würdenträgern im Vatikan stattfindet, sondern die ganze Kirche angehört werden soll und zwar jeder Mensch, der sich daran beteiligen will. Mit dem weltweiten Prozess will der Papst die Kirche verändern: Einzelne, Gruppen und Verantwortliche sollen stärker aufeinander hören, denn nur so könne sich die Kirche Herausforderungen stellen und die christliche Botschaft angemessener bezeugen. Dies ist eine weltweite Aufgabe für die katholische Kirche, besonders aber auch in Europa, wo sowohl bei den Katholiken – als auch bei der Priesterzahl – das einst «christliche Abendland» als einziger Kontinent einen Abwärtstrend zeigt. Das geht aus der Jahresstatistik des vatikanischen Informationsdienstes Fides von Mitte Oktober hervor. Um diesen zu stoppen, oder gar umzukehren, braucht es eine Rückbesinnung auf die Grundanliegen Jesu Christi, dessen Botschaft ein Evangelium ist, eine Frohbotschaft also. Dies den Menschen wieder neu und immer besser in Erinnerung zu rufen, ist der tiefste Sinn des synodalen Weges. Statt um parlamentsartige Abstimmungen gehe es um sorgfältiges Aufeinander-Hören, mutige Visionen, Gebet, Besinnung, Austausch. Ziel sei, in der jeweiligen Situation den Willen Gottes zu erkennen. Als Appell zum «gemeinsamen Gehen» folge der Weg der Synodalität dem vom Zweiten Vatikanischen Konzil vorgeschlagenen «aggiornamento», was man auf Deutsch in etwa als «Anpassung an heutige Verhältnisse» umschreiben kann. Sinn dieses zweijährigen Weges sei vor allem, «das Antlitz und die Gestalt einer synodalen Kirche zu entdecken, in der jeder etwas zu lernen hat: das gläubige Volk, das Bischofskollegium, der Bischof von Rom – jeder im Hinhören auf die anderen und alle im Hören auf den Heiligen Geist». Insbesondere dürften die Bischöfe auf dem synodalen Weg keine Angst haben, «der ihnen anvertrauten Herde zuzuhören», heisst es im Vorbereitungsdokument, das am 7. September veröffentlicht worden ist und in dem auch selbstkritische Zeilen zu lesen sind.

Auch in den Diözesen
Nach der offiziellen Eröffnung dieses synodalen Weges in Rom durch den Papst hat dieser am 17. Oktober auch in jeder Teilkirche und jeder Diözese begonnen.

Foto: Arnold Landtwing


Die einzelnen Bischöfe der Schweiz haben sich in den Predigten zur Eröffnung dieses Weges zum Teil recht pointiert geäussert. So der Bischof von Chur, Joseph Bonnemain, der vor einer peinlichen, unfruchtbaren und überflüssigen Kirche warnte. Er wünschte sich vielmehr eine Kirche, in der es keine Profiteure gibt, sondern in der alle aktiv mitmachen und mittragen. «Eine synodale Kirche ist eine Kirche, die sich nicht mit sich selbst beschäftigt. Sie ist eine Gemeinschaft, wo alle bereit sind – wie Jesus – das Leben für die Entstehung einer erlösten, freien, menschlichen, gütigen, sozialen, glücklichen, friedlichen Welt und Menschheit einzusetzen und hinzugeben. Fühlen wir uns von dieser Art des Lebens angezogen? Ich hoffe es sehr. Es ist die beste Art zu leben. Es sollte der Beschluss sein, den wir heute hier fassen.»

© Bistum Basel

Für den Bischof von Basel, Felix Gmür geht es beim synodalen Prozess nicht darum, demokratisch über Mehrheitsverhältnisse abzustimmen: «Gefragt wird nicht nach dem, was man darf; gefragt wird vielmehr nach dem, was hilft, christlich zu leben, was hilft, dem Reich Gottes Gestalt zu geben.» Er lädt die Gläubigen ein, sich zu überlegen, wie sie ihre Kirche mitgestalten wollten: «Jeder muss sich fragen: Wie nah will ich an der Kirche sein? Wie nah will ich Jesus sein?»

© kath.ch/Barbara Ludwig

Markus Büchel, der St. Galler Bischof erklärte dazu: «Jetzt geht es darum, dass jeder Christ sich bewusst wird: Ich besitze Gaben, die nur ich habe.» Und die gelte es nun, in die Gemeinschaft einzubringen. «Der synodale Weg ist der Aufbruch aller, die sich einbringen wollen.»

© kath.ch/Vera Rüttimann

Der Bischof von Sitten, Jean-Marie Lovey ist überzeugt, dass der Synodale Prozess «kein politischer Kongress ist. Er ist auch kein Prozess von und für Fachleute, sondern einer für alle.» Alle seien eingeladen, sich daran zu beteiligen und sich zu äussern. Lovey nimmt in seiner Predigt zur Eröffnung des Prozesses das Thema Weg in den Fokus. Ein Weg könne steinig, leicht und überraschend sein. Manchmal müsse man rasten, sich neu orientieren und dann wieder neu aufbrechen. Der Bischof von Sitten erinnert an Jesus, der sagte: «Ich bin stets bei euch.»

Vorurteilsfreies Zuhören
Beim synodalen Prozess sollen alle, die das Wort ergreifen wollen, vorurteilsfrei angehört werden, «mit Mut und Freiheit des Herzens». Doch soll auch der Dialog mit der Kirche, der Gesellschaft und anderen christlichen Konfessionen dabei als Leitlinien dienen. Gefordert wird auch, ohne Angst auf jene zu hören, die in der Kirche bislang weniger zu Wort kommen: junge Menschen, Frauen, Arme, Ausländer, aus der Kirche Ausgetretene.
Die Zusammenfassungen der verschiedenen auf mehreren kirchlichen Ebenen geführten Diskussionen gehen dann an die betreffende Bistumsleitung. Diese verfasst einen Bericht und leitet ihn an die Bischofskonferenz weiter, welche ihrerseits einen Gesamtbericht nach Rom schickt, wo die Ergebnisse im Oktober 2023 in einer Bischofssynode besprochen werden. Ab 2024 sollen die Ergebnisse der Bischofssynode weltweit vor Ort verwirklicht werden. «Wir erinnern daran, dass es nicht Zweck dieser Synode und daher auch nicht der Konsultation ist, Dokumente zu produzieren, sondern‚ Träume aufkeimen zu lassen, Prophetien und Visionen zu wecken, Hoffnungen erblühen zu lassen, Vertrauen zu wecken, Wunden zu verbinden, Beziehungen zu knüpfen, eine Morgenröte der Hoffnung aufleben zu lassen, voneinander zu lernen und eine positive Vorstellungswelt zu schaffen, die den Verstand erleuchtet, das Herz erwärmt, neue Kraft zum Anpacken gibt», heisst es abschliessend in dem 25-seitigen Vorbereitungsdokument. 

Top oder Flop?
Die Idee des Papstes, die katholische Kirche auf einen synodalen Weg zu schicken, ist sicher lobenswert und vom heiligen Geist inspiriert. Ob er am Ende wirklich das erreicht, was Papst Franziskus will, nämlich den Sinn für die Kirche neu aufblühen zu lassen und mit Hilfe aller dem kirchlichen Leben neuen Schwung zu gegeben, ist nicht voraussehbar. Der Begleit-Leitfaden zur ersten Phase der Weltsynode empfiehlt einzelne Haltungen und warnt vor Fallstricken. Ein paar Kostproben davon: «Offenheit führt zu Bekehrung und Veränderung. Wir sind Zeichen einer Kirche, die zuhört und unterwegs ist», die nach vorne schaut und sich nicht nach der goldenen Vergangenheit zurücksehnt und dabei vergisst, dass diese alles andere als golden war.
Es gilt auch heute noch, was Papst Johan-nes XXIII. bei der Eröffnung des 2. Vatikanischen Konzils 1962 sagte: «Wir aber sind völlig anderer Meinung als diese Unglückspropheten, die immer das Unheil voraussagen, als ob die Welt vor dem Untergang stünde.» Vielmehr gilt es, den «verborgenen Plan der göttlichen Vorsehung anzuerkennen», der «sein eigenes Ziel» hat, «und alles, auch die entgegengesetzten menschlichen Interessen, weise zum Heil der Kirche lenkt». 
Synoden sind nicht eine Art Parlament, die nur Probleme behandelt, sondern «eine Zeit, zu träumen und “Zeit mit der Zukunft zu verbringen”.» Wichtig ist, dass nun nicht wieder die alten Themen, wie Frauenpriestertum, Zölibat, Statistiken über den Rückgang der Messbesucher etc. die Schwerpunkte der Diskussion bilden werden, so wichtig diese Fragen sicher auch sind. Der Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg, Charles Morerod ruft aber auch dazu auf, positiv an die Sache heranzugehen: «Wir könnten uns über die Statistiken beklagen, die wir sicherlich berücksichtigen müssen und die wir aus eigener Erfahrung kennen. Das Ziel ist nicht eine missmutige Meditation, sondern die Weitergabe der Frohen Botschaft.»

© kath.ch/Georges Scherrer

Es ist eine grosse Chance für die Erneuerung und die Glaubwürdigkeit unserer Kirche, die sich durch diesen synodalen Prozess bietet. Es zeigt, dass jeder Einzelne ernstgenommen wird und als mündiger Christ gefragt ist und seine Meinung sagen darf, selbst dann, wenn man damit anecken sollte. Kirchlichkeit besteht nämlich nicht im Nicken und Schlucken, sondern im gegenseitigen Aufeinander Hören und Aufeinander Eingehen. Jeder soll den an–deren im Glauben tragen, anregen und wenn es sein muss auch kritisieren. Wer fragt, denkt mit und gerade Fragen bringen auch die Kirche und unsere Bistümer vorwärts.
Auch Papst Franziskus hinterfragt die Bereitschaft vieler Gläubiger Neues zu wagen: Sind wir bereit, uns auf das Abenteuer des Weges einzulassen, oder flüchten wir uns aus Angst vor dem Unbekannten lieber in die Ausreden «das ist nicht nötig» oder «das hat man schon immer so gemacht»? Papst Franziskus lädt uns ein, «mit Erstaunen zu entdecken, dass der Heilige Geist auf überraschende Weise weht». Am Ende soll das Puzzle «nicht eine andere Kirche» ergeben, «sondern eine Kirche, die anders ist», so Franziskus. Möge dieses Werk gelingen!

Paul Martone                                                                                                                         


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