Humor, damit uns der Kragen nicht platzt

Foto: Poss

«Der Mensch ist für die Freude da – und die Freude für den Menschen.» Hl. Franz von Sales

Es ist gar nicht lustig und auch nicht einfach für das Pfarrblatt etwas über die Fasnacht zu schreiben, denn beim Verfassen dieser Zeilen befinden wir uns immer noch in der Pandemie, in die uns ein unscheinbarer Virus namens COVID-19 gestürzt hat. Die damit verbundenen Einschränkungen haben vielen Menschen die Freude am Leben genommen und manche in Einsamkeit und Verzweiflung gestürzt, ganz zu schweigen von den an den Folgen dieser Krankheit verstorbenen Frauen und Männern.

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Dann aber denke ich, dass es gerade in solchen Zeiten notwendig ist, die Freude und den Humor nicht zu verlieren, denn wie schon der Dichter Joachim Ringelnatz sagte: «Der Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt».

Gott lacht
Der gesündeste Humor beginnt dort, wo der Mensch über sich selber lachen kann. Diese Frau und dieser Mann nehmen sich dann nicht immer nur todernst, sondern nehmen auch Missgeschicke mit Humor und gelegentlich einfach mit einem feinen Lächeln zur Kenntnis. Gerade der glaubende Mensch sollte sich durch Humor auszeichnen, weil er sich bewusst ist, dass Gott so grosszügig und göttlich-genial ist, dass er alles Bruchstückhafte in unserem Leben und in der Welt zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen kann. Das ist kein naiv-dümmlicher Glaube, vielmehr beginnt der Humor dort, wo zur Heiterkeit das «Trotzdem» kommt, wenn man heiter bleibt, obwohl es einem nicht zum Lachen ist. Wir können «trotzdem lachen», nicht bloss, weil wir guter Laune sind, weil man uns mag und eine Sache gut ausgegangen ist, sondern weil am Ende unserer irdischen Pilgerschaft das grosse befreiende Lachen in der ewigen Vollendung kommt. 
Gott hat Humor und er kann auch lachen. Das Alte Testament berichtet jedenfalls hie und da davon, auch wenn dieses Lachen meistens eine eher spöttische Note hat. So lesen wir in den Psalmen, wie Gott überhebliche Frevler und skrupellose Fein–de seines Volkes verlacht und über sie spottet (Psalm 37, 13 und 59, 9). Dieses Lachen Gottes zeigt, dass er nicht mit sich spielen lässt und immer stärker und grösser ist als das Böse. Es zeigt aber auch, dass Gott Freude am Menschen hat und sich mit ihnen freut: «Gott freut sich und jubelt über dich, er erneuert seine Liebe zu dir, er jubelt über dich und frohlockt, wie man frohlockt an einem Festtag»  (Zefanja 3, 17). Nicht umsonst nennen wir unsere Heilige Schrift ja «Evangelium», also Frohe Botschaft. Dass man im Laufe der Jahrhunderte aus dieser Frohbotschaft oft eine Drohbotschaft gemacht hat, gehört nicht zu den Glanzpunkten der Kirchengeschichte.

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Jesus lacht
Wer im Neuen Testament Geschichten sucht, die davon berichten, dass auch Jesus gelacht hat, wird enttäuscht. In den Evangelien wird manchmal geschrieben, dass Jesus zornig war, auch konnte er recht ironisch auf die Angriffe seiner Gegner reagieren. Es ist bekannt, dass Jesus Angst hatte und auch weinte. Nirgends wird jedoch klar gesagt, dass er auch gelacht hätte. Wenn wir aber zwischen den Zeilen lesen, so können wir dort feststellen, dass Jesus alles andere als ein trockener, griesgrämiger Mann gewesen wäre. Vielmehr war er mit einem ausgeprägten Mutterwitz gesegnet, der ihm half in Situationen, in denen manche Kreise versuchten, ihn aufs Glatteis zu führen, schnell und unerwartet zu reagieren. Sehr schön lässt sich diese Eigenschaft an der Frage aufzeigen, ob es einem Juden erlaubt sei dem römischen Kaiser Steuern zu bezahlen. Jesus durchschaute diese Fang-frage der Pharisäer, denn forderte er zum Bezahlen auf, erschien er als schlechter Jude, der die fremde Besatzungsmacht unterstützt. Und sagte er nein, konnte er beim kaiserlichen Statthalter als Aufwiegler verklagt werden. Er bat deshalb, dass man ihm eine Steuermünze zeige. Sogleich reichten ihm die Fragesteller einen Denar – und verrieten sich im selben Augenblick selbst. Denn indem sie die römische Währung auf sich trugen, bekundeten sie, dass sie sich der fremden Herrschaft längst angepasst hatten, sodass sich ihre Frage in Luft auflöste. Weshalb sie über die Reaktion Jesu staunten und sich kleinlaut zurückzogen (Matthäus 22, 15–22). Wir können annehmen, dass Jesus sich dabei ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte. 
Jesus liebte Feste und oft wird berichtet, wie er eingeladen war und sich an den Mahlzeiten erfreuen konnte, was ihm den Ruf einbrachte, «ein Fresser und Säufer» (Matthäus 11, 19) zu sein. Und das erste Wunder, das Jesus wirkte, war keine Krankenheilung oder ein Exorzismus, sondern die Verwandlung von Wasser zu Wein bei der Hochzeit zu Kana. Und dabei liess er sich keineswegs lumpen: Mit 600 Liter Wein rettete er die Hochzeit seines Bekannten – und dies, «nachdem die Gäste schon reichlich getrunken hatten» (Johannes 2, 1–10). Jesus will damit zeigen, dass mit ihm die Rettung naht und dass es denjenigen, die ihm glauben und folgen, an nichts mangeln wird. «Ich will, dass sie das Leben haben, und dass sie es in Fülle haben», heisst es im Johannesevangelium (10,10).

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Jesus tanzt
Möglicherweise hat Jesus sogar getanzt. Was wir uns auf den ersten Blick vielleicht nicht vorstellen können, ist gar nicht so abwegig, denn in biblischen Traditionen wurzelnd galt der Tanz bei den Juden lange als Ausdrucksmittel der Freude und des Gemeinschaftsgefühls und auch das Volk kennt den religiösen Tanz, wie etwa das Umschreiten des Altars, das der Psalm 26 erwähnt und der Psalm 118 ruft auf, den Festreigen mit Zweigen bis zu den Hörnern des Altars zu tanzen! König David, aus dessen Linie Jesus ja stammt, «tanzte mit ganzer Hingabe vor dem Herrn», ja «er hüpfte und tanzte vor dem Herrn» (2 Sam 5, 14–16). Als gläubiger Jude hat Jesus diese Stellen gekannt und wer weiss, ob er nicht auch manchmal vor Gott getanzt hat. Der Kirchenlehrer Augustinus ruft die Menschen sogar auf: «Mensch, lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel nichts mit dir anzufangen!» 

Machen Sie mit!
Wie dem auch sei: Wer in den Fasnachtstagen nur schimpfen und überall und an allen Ecken nur schwarze Sünde sehen wollte, wer sich gar nicht mitfreuen könnte mit den Fröhlichen, um dann, wenn die Stunde es verlangt, auch mittrauern zu können, der hat seine Ohren sicher nicht auf der Wellenlänge eingestellt, auf der die Frohe Botschaft Jesu zu vernehmen ist. So ist es gewiss falsch, sich von allem Fasnachtstreiben zu distanzieren mit der Begründung als «frommer» Christ gezieme sich so etwas nicht. Ja, es gibt im Leben eines jeden Menschen viel, das eher zum Weinen denn zum Lachen ist. Manchmal vergeht einem das Lachen gründlich. Es geschieht Tag für Tag so viel Böses, Gemeines und Hinterhältiges. Menschen quälen, betrügen, bestehlen, belügen und terrorisieren einander. Sie vergällen einander die Freude am Leben. 
Und doch schreibt der grosse Hl. Thomas von Aquin: «Das Merkmal aller, die es zur vollkommenen Liebe Gottes gebracht haben, ist eine ausnehmende und unerschütterliche Fröhlichkeit … » 
Oder die heilige Ordensschwester Teresa von Avila mahnt lächelnd ihre Mitschwestern. «Ich fürchte nichts so sehr, als wenn ich sehe, dass unsere Schwestern die Freude des Herzens verlieren.» 
Und als man sie gar in den Fasnachtstagen mit ihren Schwestern fröhlich tanzen sah, gab sie den Kommentar: «Ich habe in der Heiligen Schrift nirgendwo gelesen, dass kopfhängerische Frömmelei etwas mit Christentum zu tun hat».
Die Fasnachtszeit steht wieder vor der Türe. Tun Sie etwas für ihre Gesundheit: Lachen Sie wieder einmal aus voller Kehle bis Ihnen der Bauch schmerzt und bewahren Sie sich die Freude sowie die Fröhlichkeit des Herzens. Lachen erspart den Doktor und den Besuch in der Apotheke. Lachen ist die beste und kostengünstigste Medizin. «Lachen ist nicht rezeptpflichtig.» Also: Lachen Sie dem Alltag ins Gesicht und sich die Sorgen von der Seele. Christen sollen feiern und festen, aber nicht so, dass sie in ihrer Ausgelassenheit die eigenen Grenzen, geschweige denn die Achtung und Würde des anderen nicht mehr kennen, so dass sie sich am Tag danach vor lauter schlechtem Gewissen im Spiegel nicht mehr anschauen dürfen. 
Und vergessen Sie nicht, die Fastenzeit, die am Aschermittwoch beginnt, genauso intensiv zu leben, wie die Fasnacht. «Was kann der Schöpfer lieber sehen als ein fröhliches Geschöpf?» (Gotthold E. Lessing). Christen sind «wahre Narren in dieser Welt», weil sie sich von dem Gebaren der Welt nicht zum Narren halten lassen. Christen sollen hinter das närrische Treiben der Welt schauen und mit einer Perspektive feiern, die über die Welt hinausweist. Ein grosser Auftrag – auch für die Fastenzeit!  

Wie heisst es richtig?
Fastnacht, Fasnacht oder Karneval wird in unseren Breiten die «fünfte. Jahreszeit» genannt. Der Begriff «Karneval» setzt sich zusammen aus den lateinischen Wörtern «carne» und «vale». Diese bedeuten wörtlich «Fleisch» und «Auf Wiedersehen» und sind ein Hinweis darauf, dass nach dem Karnevalsdienstag mit dem Aschermittwoch die 40-tägige Fastenzeit beginnt, in der die Menschen sich und ihren Lebensstil hinterfragen sollten, gerade auch im Blick auf jene Menschen, die keinen Grund zum Lachen haben. Eine andere Erklärung ist, dass «Karneval» von den Wörtern «carne valere» abgeleitet wurde, was «Fleisch regieren» bedeutet und sich auf die Zeit bezieht, in der das Fleisch herrscht. Dies verweist sowohl auf das Essen von Fleisch als auch das Ausleben fleischlicher Begierden, die in dieser Zeit eine wichtige Rolle spielen und leider wohl auch manchmal ausarten.  
«Fastnacht» bezeichnet die «Nacht vor dem Fasten». Ganz anders der in der Schweiz gebräuchliche Ausdruck «Fasnacht». Dieser hat nichts mit Fasten zu tun, wie es die (im deutschen gebräuchliche) «Fast-nacht» nahelegt. Ganz im Gegenteil: Er leitet sich ab vom mittelhochdeutschen «faseln» (= Unsinn treiben), und meint gerade das Gegenteil der ernsten, verzichtreichen Fastenzeit. Die Fasnacht ist eine ausgelassene, lautstarke und farbenfrohe Zeit voller Lebensfreude. 

Paul Martone                                                                                                                         

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