Unsere «Interessenvertretung» bei Gott – Die Schutzengel

Das neue Schuljahr hat vor ein paar Wochen begonnen. Die meisten Kinder ziehen wieder frohgemut von Zuhause in das Schulhaus, immer begleitet von der Sorge und Hoffnung der Eltern, dass ihnen auf dem Schulweg nichts passiert. Hilfe gegen diese Ängste kann uns der Glaube an die Schutzengel bieten. Man kann darüber lächeln und diesen Glauben als naiv abtun. Ich stimme aber dem Schweizer Kapuziner Paul Hinder, bis vor kurzem Bischof in Arabien, zu, der meint: «Mir tut es gut, mich in unsichtbaren Händen geborgen zu wissen.»
Die Existenz der Engel im Allgemeinen und der Schutzengel im Besonderen ist biblisch gut begründet. 365mal kommt der Begriff «Engel» in der Bibel vor, also für jeden Tag ein Engel. 

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Die Kleinen
Das Wort Schutzengel kommt in der Bibel so nicht vor. Die Kirche bezieht sich in ihrer Lehre von den Schutzengeln auf die Stelle im Matthäusevangelium (18, 10), wo Jesus von den Kleinen sagt, dass ihre Engel im Himmel allezeit das Angesicht seines Vaters sehen. Unter den hier genannten Kleinen sind nicht nur die Kinder gemeint, sondern alle Menschen, die an Jesus glauben, die um ihres Glaubens willen in der Welt verachtet sind und nichts gelten. Es sind die einfachen Menschen in der christlichen Gemeinde, die im Glauben noch nicht gefestigt sind, die jedoch in den Augen Gottes kostbar und auserwählt sind (vgl. 1 Kor 1,26f.). Jesus sagt nun, dass jeder dieser Menschen einen Engel hat, der das Antlitz Gottes schaut. Jeder „Kleine“ hat somit eine «Interessenvertretung» bei Gott. 

Bild: Sr. Isabel

Die Engel gehen mit 
Die Bibel beschreibt sowohl das Aussehen der Engel als auch ihre Macht und Grossartigkeit. Sie zeigt, wie Engel behüten und beschützen, wie sie den Menschen die Augen öffnen und ihnen einen Weg zeigen, den sie gehen können. Die Engel beschützen vor Feinden und immer wieder können wir nachlesen, wie sie den Propheten und den Aposteln helfen. Die Mut machende Grundbotschaft aller Geschichten lautet: Die Engel lassen den Menschen in keiner Situation allein. Sie gehen mit ihm – auch auf Umwegen und Irrwegen. Und sie geben ihm Schutz und Geborgenheit gerade dort, wo er mit seiner Angst allein ist.
Auch Jesus hatte Schutzengel, die ihm dienten. Diese treten zum ersten Mal bei der Versuchung in der Wüste auf. Nach-dem der Teufel von Jesus abgelassen hatte, «kamen Engel und dienten ihm» (Mt 4, 11). Ein paar Verse zuvor, zitiert der Teufel sogar den Psalm 91, um Jesus in Versuchung zu führen, damit er sich vom Tempel stürze, um so zu beweisen, dass er Gottes Sohn sei: «Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heisst in der Schrift: «Seinen Engeln befiehlt er, dich auf ihren Händen zu tragen, damit dein Fuss nicht an einen Stein stösst» (Mt 4, 16).

Keine Angst
In manchen Schlafzimmern finden sich noch Bilder (oft recht kitschig, entstanden im ausgehenden 19. Jahrhundert), die darstellen, wie ein Schutzengel Kinder beschützt, die auf einer Brücke über einen reissenden Fluss laufen. Diese Bilder zeigen uns, wie wir in der Obhut der Engel sind, sie uns mit ihren Flügeln decken und behüten. Der Psalm 91 drückt das sehr schön aus: Gott «befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen. Sie tragen dich auf ihren Händen, damit dein Fuss nicht an einen Stein stösst». Wer sollte dann noch Angst haben?
Wenn wir fragen, wie viele Schutzengel es gibt, so kann man sagen, dass es so viele Schutzengel gibt wie Menschen. Jeder Mensch hat einen persönlichen Schutzengel, der ihm zur Seite steht und zwar vom ersten Augenblick seiner Existenz bis zu seinem letzten Atemzug. Selbstverständlich beten wir die Engel nicht an, aber wir können sie jederzeit um ihren Schutz und ihre Begleitung bitten. Es ist jedoch Vorsicht geboten bei manchen Angeboten, die uns die Esoterik bietet, angefangen von Engelseminaren, Engelbüchern, Engelkarten, Engeldüften und was es da alles gibt. Das ist reine Geldmacherei! Die Engel lassen sich dafür nicht missbrauchen. Alles, was Sie über Engel wissen müssen, finden Sie in der Bibel – mehr braucht es nicht! Wer die Bibel ernst nimmt, kann, ja muss auch von der Existenz der Engel ausgehen und sie um ihren Schutz bitten.


Schutzengel, 14. Jhdt, San Zeno, Italien – Foto Poss

Engelerfahrungen der Bischöfe

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Auch unsere Bischöfe vertrauen auf den Schutz der Engel. Der Bischof von Sitten, Jean-Marie Lovey, ist von Kindheit an mit Schutzengeln verbunden. Einen solchen hatte er auch bei einer Hochtour. «Ich war mit einem Freund in den Bergen», sagt Lovey. Die beiden stiegen den Aiguille du Chardonnet hinunter – einen 3824 Meter grossen Berg in der Nähe des Mont Blanc. Beide waren in einer Seilschaft, es kam zum Sturz. «Vielleicht war es ein Schutzengel, der mir half, bis zum Ende durch-zuhalten», sagt Lovey. «Schutzengel sind so diskret, dass sie tausend Mal helfen, ohne dass wir es mitbekommen.»
Lovey erinnert sich noch genau an den Schutzengel seiner Kindheit. Über seinem Bett hing ein Bild mit einem Engel. «Er half einem kleinen Jungen, einen Fluss zu überqueren. Wir haben gebetet: “Mein lieber Schutzengel, behüte mich nachts, so wie du mich tagsüber beschützt hast.”» Jean-Marie Lovey ist überzeugt: «Wir wer-den ein Leben lang von Schutzengeln beschützt – von der Geburt bis zum Tod. In guten wie in schlechten Zeiten.»

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Das erfuhr auch Markus Büchel, der heutige Bischof von St. Gallen, der als Student Beifahrer in einem Auto war. Plötzlich kam es zu einem schweren Verkehrsunfall. «Glücklicher-weise wurden der Fahrer und ich nur leicht verletzt.»

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Auch Charles Morerod hatte in der Studentenzeit einen Schutzengel. Der heutige Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg war zu Fuss auf dem Trottoir unterwegs. Er wollte auf die Strasse gehen, doch in dem Moment zischte ein schweres Motorrad an ihm vorbei. «Ich hatte es weder gehört noch gesehen. Es waren nur wenige Zentimeter», berichtet Morerod. «Ich denke, da war ein Schutzengel mit im Spiel. Sonst gäbe es mich nicht mehr.» Morerod findet auch einen dogmatischen Blick auf die Schutzengel spannend. Etwa die Frage, in welchem Verhältnis sie zum -Heiligen Geist stehen. «Der Heilige Geist kann über Schutzengel wirken», sagt Morerod. Schutzengel könnten auch zu guten Gesprächen führen: «Von der Präsidentin einer katholischen Körperschaft stammt der Rat: Vor manchen Treffen bittet sie ihren Schutzengel, mit dem Schutzengel der anderen Person zu sprechen.» Und wie oft ruft Morerod seinen Schutzengel vor schwierigen Gesprächen an? «Ich gebe zu: eher selten.»

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Der Weihbischof von Lausanne, Genf und Freiburg, Alain de Raemy, war früher in Lausanne Pfarrer. Dort begleitete er einen schwerkranken 60-jährigen Mann. «Er sprach mich nach einem Gottesdienst an und sagte zu mir: Sie werden mich auf den Tod vorbereiten! Auch seine Frau war darüber ganz perplex.» Eines Tages war de Raemy bei seinen Eltern im Wallis: «Ich spürte plötzlich eine starke innere Unruhe. Ich hatte das Gefühl: Ich musste zurück nach Lausanne. Ein ganz seltsames Gefühl.» Er hatte die Eingebung, bei dem kranken Mann vorbei zu schauen. «Ich wusste nicht, dass sich sein Zustand verschlechtert hatte. Als mir seine Frau die Tür öffnete, fiel sie mir weinend in die Arme. Sie sagte, ihr Mann befinde sich im Sterben.» Als Alain de Raemy ans Bett trat, öffnete der Mann seine Augen. «Als er meine Stimme hörte, lächelte er mir zu, bat um ein Gebet und schlief ruhig ein.» Nun könnte man meinen: Für den Mann war Alain de Raemy ein Schutzengel. Doch der Weihbischof winkt ab: «Der Schutzengel hat mich zu ihm geführt.» 

Überhaupt glaubt de Raemy, dass ein guter Schutzengel sozusagen Unterstützung brauche: «Jeder himmlische Bei-stand, von Gott, allen Engeln und Heiligen, kann nur als gros-ses Teamwork geschehen!»

Paul Martone (siehe auch kath.ch)

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