Eine originelle «heilige» Familie

(Lukas 2, 41–50)


Kirchenfenster in Grimentz/VS. Foto Sr Catherine

Die «heilige» Familie, die jedes Jahr nach Weihnachten gefeiert wird, (dieses Jahr am Freitag, 30. Dezember) überrascht uns immer wieder.

Eine seltsame «heilige» Familie: Die Mutter Maria ist Jungfrau, der Vater Josef ist nicht der «wahre» Vater – das ist Gott –, sondern lediglich der Pflege- und Adoptivvater, der Jesus in die Linie Davids einreiht. Vom Sohn wollen wir gar nicht erst reden: Schon mit zwölf Jahren läuft er weg, löst sich aus dem Kokon der Familie, stürzt seine Eltern in Sorge, widmet sich den Angelegenheiten seines himmlischen Vaters und scheint sich nicht für seine Verwandten zu interessieren (Jesus im Tempel von Jerusalem unter den Lehrern, in Lukas 2, 41-50). Kaum zu glauben, dass dies die einzige Episode aus seiner Kindheit und Jugend ist, die die Evangelien berichten!
Zwar endet diese Geschichte gut: Jesus kehrt mit Josef und Maria nach Nazareth zurück, er ordnet sich ihnen unter, er wächst an Weisheit, Grösse und Gnade vor Gott und den Menschen (Verse 51-52). Aber der Text macht deutlich, dass seine Eltern dieses verwirrende Kind nicht verstehen. «Warum hast du uns das angetan?», werfen sie ihm vorwurfsvoll vor, als sie ihn am dritten Tag bei einem grossen Gespräch mit den Gesetzesgelehrten antreffen. «Siehe! Dein Vater und ich suchten dich ängstlich», fügt Maria hinzu (V. 48). Und als er ihnen antwortet, dass er im Haus seines Vaters bleiben müsse, verstehen die armen Eltern nicht, was er ihnen damit sagen will (V. 50). «Maria bewahrt all diese Ereignisse treu in ihrem Herzen», sagt der Text (V. 51), und versucht wohl, nach und nach sie zu verstehen.

Glücklich und verbeult
Man könnte meinen, man sei Zeuge einer der unzähligen Bege-benheiten, die fast jedes heutige Familienleben durchziehen: Eltern, die sich von ihrem Teenager, der in vielen Bereichen – nicht zuletzt dank des Internets – weitaus kompetenter ist als sie, völlig «abgehängt» fühlen, in Schweigen, Depressionen oder Mager-sucht versinken oder von einer für ihre Umgebung völlig ungewohnten Zukunft träumen. Die «heilige» Familie, die jedes Jahr nach Weihnachten gefeiert wird, überrascht uns immer wieder. Sie sieht aus wie all die verbeulten Familien, Allein-er-ziehenden oder Patchwork-familien, die unsere Zeit kennt. Und doch: In allen Formen von Familien, den glücklichen wie den verwirrten, den vereinten wie den zerbrochenen, ist Gott durch seinen Geist der Liebe gegenwärtig. Christus macht jede Familie zum Tempel, in dem er sich dauerhaft niederlassen möchte.

François-Xavier Amherdt

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