Das Beste kommt noch

Von der Hoffnung und Lebensfreude für die alten Tage

Foto: © Poss

Hanna
Von Hanna berichtet Lukas in seinem Evangelium, dass sie eine 84-jährige Pro­­­­phetin ist und aus dem Stamm Ascher stammt. Sie ist eine Witwe, die als jun­ges Mädchen geheiratet hatte, doch starb ihr Mann bereits sieben Jah­re später. Sie zieht sich jedoch nicht in ihr un­­glück­liches Schneckenhaus zurück, man hört sie nicht jammern und klagen, sondern sie widmet ihr Leben Gott. Sie gehört gleichsam zum «Inventar» des Tempels, denn sie verbringt ihre alten Tage zum grössten Teil im Tempel von Jerusalem, wo sie Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten dient. Manche mögen sie als Betschwester belächelt ha­­ben, aber weil sie Ausdauer hat, schlägt ihre grosse Stunde in der Heils­ge­schich­te. Getrie­ben von Gottes Geist – ist auch sie im Tempel, als die Eltern Jesus in dieses Gotteshaus bringen, um ihr Kind dem Herrn zu weihen, es darzustellen, wie es das jüdische Gesetz verlangte. Maria und Josef übergeben im Tempel ihr Kind Gott persönlich. Ihm soll es in Zukunft ganz gehören. Nach­dem Hanna diesem Kind begegnen durf­­te, war sie so erfüllt vom Heiligen Geist, dass sie zu allen über dieses Kind sprach, die auf die Er­­lösung Jerusalems warteten. Das wird danach zur Aufgabe ihres weiteren Le­­bens, so kurz es wohl nur noch gewesen ist: die Weitergabe der Hoffnung, aus der sie lebt. Sie erhält die Gewiss­heit, dass ihr Warten und Hoffen nicht vergeblich waren, sondern dass sich ihr Leben trotz ihrer Wit­wenschaft, die im alten Israel ein bedauerliches und trauriges Schicksal war, gelohnt hat.

Darbringung (Ende 16. Jhdt), Nationalmuseum Ravenna
Foto © Poss

Simeon
Simeon ist ein Hoffender und Wartender, denn von ihm wird gesagt, er sei gerecht und fromm, das heisst, er lebt in der persönlichen Zuwendung zu Gott und er war­­te auf den Trost Israels. Wie schon Hanna wurde auch er vom Geist Gottes in den Tempel geführt, wo er Jesus in seine Arme nehmen und Gott mit dem prophetischen Wort preisen darf, das heute Einzug gehalten hat in das tägliche Nacht­gebet der Priester und Or­­dens­­leu­te: «Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, dass du vor allen Völkern be­­reitet hast, ein Licht, das die Heiden er­­leuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel». Es ist das Lob eines Menschen, der sein Lebensziel erreicht hat und nun voll Ver­trauen loslassen kann, was ihn noch mit dem irdischen Leben verbindet. Nach diesem Ruf der Freude wendet sich Sime­on aber auch an Maria, der er eine ganz persönliche Vorhersage macht: «Deine Seele wird ein Schwert durchdringen!», denn dieses Kind wird seiner Mutter im Laufe seines Lebens viel Kummer und Schmerzen bereiten. Schon in den ersten Tagen des neugeborenen Jesus blitzt das Dunkel des Kreuzes auf. Jesus wird zum Zeichen, dem widersprochen wird, das aber zur Entschei­dung herausfordert. 

Hanna und Simeon haben sich entschieden: Jesus wurde für sie zum Licht der Völker und erhellte wohl auch ihr per­sönliches Leben.

Das nahm wahrscheinlich ihren Rheumatismus, ihre Ge­­brechlichkeit, ihre Schwerhörigkeit und ihre Sehschwäche und welche Krank­heiten alte Menschen noch plagen können, nicht weg.Doch ihnen ist «ein Licht aufgegangen» und sie verliessen den Tem­pel von Jerusalem im Wissen dar­um, dass sie ihn getroffen haben, auf den sie während ihres langen Lebens sehnsüchtig gewartet haben. Dies half ihnen ihr Leben anzunehmen und nicht zu verzweifeln, weil vielleicht manches nicht mehr so leicht von der Hand geht, wie früher. Sie fanden immer wieder Freu­­de am Leben, trotz aller Enttäu­schun­­gen, die sie sicher auch erleben mussten. Hanna und Simeon können für alle alten Menschen eine Ermutigung sein, nicht zu resignieren, sondern immer ein «Trotzdem» zu wagen, das offen bleibt für die Überraschungen Gottes im Heute. 

Was könnte das für uns bedeuten? 
Auf diese Frage antwortet Pater Kle­mens Nodewald: «Schicksalsschläge ver­­schie­­denster Art gehören wohl zu je­­dem Men­schenleben. Und ich bin si­­cher, auch Hanna hat sich des Öfteren ge­­fragt: Womit habe ich das verdient? Gott, wo bist du? In ihrem Ringen mit Gott be­­wahrt sie sich jedoch davor, von Gott abzulassen. Wie wir wird sie an be­­stimmten Tagen erkannt haben: Mein Leben ist hart; aber ich bin Gott nicht aus den Augen. Hier und da und dort konnte ich es spüren. Dies bewegt sie, Gott zu preisen, ihm zu danken, innerlich nicht in die Verkümmerung abzudriften, obwohl sich an ihrem Lebens­schick­­sal nach aussen kaum etwas änderte. Simeon, der Wache, wird als der aufmerksam Hörende in die Begegnung mit dem Herrn geführt. Hell wach auf Gott Hörende sein, wird auch uns befähigen, für das Heilswirken Gottes Empfinden zu entwickeln. Spüren und ahnen, dass und wo Gott am Wirken ist, stärkt unseren Glauben bei weitem mehr als alles Wissen über ihn. Gott spüren, das ist die treibende Kraft in uns, die uns zum Handeln bewegt und Zuversicht verleiht.


Sie legt Lob und Dank auf unsere Zun­ge, Kraft und Ausdauer in unser Herz».
Seien wir wie Hanna und Simeon offen für das, was Gott uns zu bieten hat. An Weihnachten ist ein kleines Kind in un­­sere Welt gekommen, um zu zeigen, dass Gott für Überraschungen gut ist. Seien wir betend gespannt, was in unserem Leben noch alles möglich ist.

Darbringung (Ende 15. Jhdt), Martin Schongauer, Colmar
Foto © Poss

Miteinander sind wir reich
Das Gute, das die beiden Propheten er­­fahren haben, die Begegnung mit dem lebendig machenden Gott, wollen und können sie nicht für sich behalten. Viel­mehr rufen sie uns auch heute noch zu: «Bewahrt euch die Haltung, dass ihr zu keinem Zeitpunkt eures Lebens fertig seid. Bleibt aufmerksam und wach für den Anruf unserer Zeit, unserer Um­­ge­bung, der nächsten Menschen. Wo dies gelingt, braucht kein alter Mensch mehr Angst zu haben, überflüssig und eine Belastung zu sein, oder Angst vor Ein­­sam­keit, wenn sich niemand um sie kümmert und Angst, keine gute, würdige Pflege zu bekommen, weil das die Jungen überfordert und nicht interessiert. Schaffen wir Räume wo Alt und Jung sich gegenseitig mit ihren Stärken und Schwächen wahrnehmen und die Konflikte, die sich daraus ergeben können, miteinander austragen. Nicht immer geht das ohne Schmerzen, wenn unterschiedliche Lebenskulturen, unterschied­liche Lebensauffassungen und religiöse Vorstellungen aufeinandertreffen.

Miteinander sind wir reich, wenn es uns ge­­lingt, nicht nur unsere materiellen, son­­dern auch unsere geistigen und geistlichen Schätze wie Glaube, Hoffnung, Liebe miteinander zu teilen und den kom­menden Generationen weiterzugeben. Durch uns alle, egal wie alt oder wie jung wir sind, sollen Liebe und Segen in dieser Welt sein, wenn wir «abtreten» müssen. Wir dürfen unser Leben eingebettet wissen in den Strom der Gene­ra­tionen und Gott hat jedem von uns ge­­nau diesen Platz in der Kette zugewiesen, den nur ich und sonst niemand aus­­füllen kann.


Paul Martone

Foto © Poss

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