Ehrwürdige Diener Gottes

Schweizer auf dem Weg zur Seligsprechung

Léon Veuthey (1896 –1974)
Clovis wurde in Dorénaz (VS) geboren. Nach dem Abschluss des Lehrerseminars in Sit­ten, unterrichtete er in verschiedenen Dörfern im Unterwallis, später am Kol­­le­gium in Pruntrut. Nach langen Glau­bens­­kämpfen fand er in der Liebfrauen­kirche in Zürich seinen Weg zu Gott.
Er trat 1921 bei den Franziska­ner­kon­ven­tualen in Fribourg ein und legte dort 1922 seine Gelübde ab, 1925 wurde er zum Priester geweiht. Er wurde Lehrer am Kol­­­legium Saint-Michel in Fribourg, 1932 Pro­fessor für Theologie an verschiedenen Universitäten in Rom. Pater Léon lehrte nach der Regel: «Das Beispiel, die persönliche Heiligung zuerst; erst danach das Wort. Nichts lehren, das man nicht selber praktiziert hat». 1943 entwarf er den «Kreuzzug der Nächstenliebe». Die Spiritualität dieser Bewegung war eine grosse Inspiration für Chiara Lubich der Grün­derin der Fokolar-Bewegung, für die er ein Ratgeber war. Aufgrund von Mei­nungsverschiedenheiten mit einigen seiner Professorenkollegen in Rom wurde er als Professor abgesetzt. Dem Frieden zuliebe verlangten die Obe­­ren 1954 von Pater Léon als einfacher Kap­lan in eine Arbeiterpfarrei bei Bordeaux zu gehen. Dort bemühte er sich – wenn auch schwe­­ren Herzens – mit gros­sem Eifer, die seel­sorglichen Aufgaben zu er­f­üllen. 1965 wurde er nach Rom zurückberufen, wo er am Internationalen Kolle­gium «Sera­phi­cum» den Lehrstuhl für Ph­i­losophie, und auch die geistliche Beglei­tung seiner jungen Mitbrüder übernahm. 1933 war Veuthey auf dem Weg zur Se­­ligsprechung von Gemma Galgani. Hier traf er Pater Ma­ximilian Kolbe, der Ge­­schäfte im Va­­tikan zu erledigen hatte. Kol­be liess sich von seinem Gespräch mit Veuthey so fes­seln, dass er seinen Be­­­such in den Büros verschob, um ihn zur Seligsprechung zu begleiten. Kolbe nannte ihn in seinem Tagebuch einen «übernatürlichen Mann» und bewunderte «Pater Leon Veutheys übernatürliche Vorstellungen von Ge­­hor­sam». Am 7. Juni 1974 verstarb Veuthey in Rom an Parkinson und wurde auf dem Friedhof Campo Verano beerdigt. 
1999 wurde sein Seligsprechungsprozess er­­öffnet. 2021 erhielt er den Titel «Ehrwür­diger Diener Gottes». Die Aussicht selig gesprochen zu werden, hätte bei Pater Léon Röte und ungläubiges Lächeln hervorgerufen.

Antonia Maria von der Barmherzigkeit 
(1822 –1898)

Antonia Maria Victoria Juana de Ovieda und Schöntal wurde in Lausanne als Toch­ter des Oviedo von Sevilla und der Susanna Schöntal, von Lausanne, geboren. Der Vater starb als Antonia Maria 13 Jahre alt war. Sie erhielt durch ihre Mutter eine solide Einführung in Kultur, Geschichte und Geographie der Schweiz. Dies hat tiefe Spuren in ihren Charakter­zügen und ihrer Persönlichkeit hinterlassen. Sie besuchte ein Internat in Fribourg, wo sie für ihr Wissen, ihre hervorragenden Sprachkenntnisse und ihr tadelloses Verhalten gelobt wurde. In Fribourg gründete sie eine Mädchenschule, die sie sechs Jah­re später aufgrund des Son­der­bundkrieges schliessen musste. 1848 wurde sie durch die spanische Königin Isabella als Erzieherin ihrer Töchter nach Madrid gerufen. In Rom lernte sie Bischof José María Serra kennen, einen gebürtigen Spanier, der längere Zeit Bischof in Australien gewesen war. Nach seiner De­­mission kehrte er nach Madrid zurück. Um Prostituierten zu helfen, ihren Le­­bens­stil zu ändern, eröffnete er 1864 für sie einen Zufluchtsort in Ciempozuelos südlich von Madrid. Serra ermutigte An­­tonia, sich dieser Frauen anzunehmen. Obwohl sie sich dagegen wehrte, begann sie nach einer Weile deren Notlage zu sehen und bot Serra finanzielle Mittel an, um diesen Frauen zu helfen. Überrascht und bewegt entdeckte sie den Ruf zu einem Dienst, der die Würde des Men­schen stärkt. Am 1. Juni 1864 wurde das erste Frauenhaus eröffnet. Papst Leo XIII. nannte ihr Werk später «nicht nur ein Werk der Nächstenliebe, sondern ein Werk der Erlösung». Antonia blieb 34 Jahre lang in dieser Begleitung tätig. Ihre Be­­reitschaft, ihr Leben hinzugeben, bewirkte eine innere Wandlung, die sich radikal auf ihr Leben und das Leben vieler Frauen auswirkte. 1870 gründete sie mit Bischof Serra unter dem Namen «Oblaten des Allerheiligsten Erlösers» eine Or­­dens­gemeinschaft, in der sie den Ordens­na­men «Antonia Maria der Barmherzigkeit» annahm. Sie starb am 28. Februar 1898 in Ciempozuelos. 1927 begann in Madrid ihr Selig­spre­chungs­prozess. 1962 wurde sie durch Papst Johannes XXIII. zur «Ehr­würdigen Dienerin Gottes» ernannt. 

Anastasius Hartmann (1803 –1866)
Er wurde in Altwis (LU) geboren und trat dem Kapuzinerorden bei. 1825 empfing er die Priesterweihe und wirkte zuerst in Lu­zern bis er als Novizenmeister nach Fri­­bourg und 1841 ans internatio­nale Mis­sionskollegium in Rom versetzt wurde. 1843 wurde er in die Missionen nach In­­dien ent­­sandt, wo er an mehreren Orten wirkte, u. a. als apostolischer Vikar von Bom­bay. Dann wurde er Missions­pro­ku­rator des Kapuzinerordens und Rektor des Missionskollegium Sankt-Fidelis in Rom. Von 1860 bis zu seinem Tod war er wieder apostolischer Vikar in Patna. 1852 gab er einen hindustanischen Katechis­mus heraus, so dass man ihn den «Ca­­nisius Indiens» nannte. Bischof Anasta­sius starb in Kurji am 24. April 1866 an Cholera. 1906 wurde für Pater Anastasius der Seligsprechungsprozess eingeleitet. 
1998 wurde er durch Papst Johannes Paul II. zum «Diener Gottes» ernannt. Der Erzbischof von Bombay, Theodor Dalhoff schrieb über ihn: «Hartmann ist wohl der gelehrteste und heiligste Bischof, der Indien je betreten hat».

Niklaus Wolf (1756 –1832)
Er wurde in Unterlindig / Neuenkrich (LU) ge­­boren. 1768 zog die Familie auf den Hof Rippertschwand. Dieser sollte zu Niklaus Wolfs Wohn- und Wirkungsort bis zu seinem Tod werden. 1779 heiratete er Bar­bara Müller, mit der er ein vorbildliches Eheleben bis ins hohe Alter führte. Täg­lich besuchte er die Messe. Niklaus Wolf engagierte sich auch in der Politik, weil er hoffte, damit einiges verändern zu können. Seine Hoffnung wurde enttäuscht, so dass er sich von allen politischen Äm­tern zurückzog. Er kam zur Einsicht, dass er durch das Gebet der Bevölkerung besser helfen könne. 
Um 1805 entdeckte er bei sich die Gabe der Krankenheilung und konnte in der Folge auffällig vielen Kranken helfen. Bevor er mit den Lei­den­den um Heilung bat, stärkte er im gemei­nsamen Gebet das Vertrauen zu Gott. Stets verwies er darauf, dass Gott und nicht er geholfen habe. Das Volk gab ihm bald den Ehrennamen «Vater Wolf». Es sprach sich schnell herum, dass man durch ihn in vielen Nöten Hilfe erlangen konnte. Bald kamen die Kranken und mit Sorgen Beladenen von nah und fern nach Rip­-  ­pertschwand, um durch sein Gebet ge­­heilt zu werden. So wurde Niklaus Wolf zum grossen Helfer des Volkes im ganzen Kanton Luzern und in den an­­gren­zenden Gebieten. Seine Heilungs­tä­tigkeit durch das Gebet brachte dem frommen Bauern aber nicht nur Freunde. Er wurde als Scharlatan abgetan und zeit­­weilig sogar polizeilich überwacht, durch den zuständigen Generalvikar wurde er mit einem Heilungsverbot belegt. Niklaus ak­­zeptierte dieses Verbot ohne Murren als Gehorsamsprüfung. Auf Bitten zahlreicher Gläubiger nahm der Generalvikar die­­ses Verbot zehn Monate später wieder zurück und stellte dem frommen Bauern eine offizielle schriftliche Erlaubnis für seine Heilungstätigkeit aus. Das Gebet um Heilung wurde sein Beruf bis zu seinem Tod am 9. September 1832 an den Folgen eines Schlaganfalls. 2015 hat Papst Franziskus Niklaus Wolf von Rippert­schwand, als «Ehrwürdigen Diener Got­tes» anerkannt. 
Hat Christus nicht gesagt: Wenn ihr den Vater in meinem Namen um etwas bitten werdet, wird er es euch geben? Was haben wir noch Zweifel?

Meinrad Eugster (1848 –1925)
Geboren in Altstätten als Josef Gebhard begann er eine Schneiderlehre und er­­hielt 1873 eine Stelle in der Schneiderei des Klosters Einsiedeln. Nach einem Jahr ent­­­schloss er sich dort einzutreten. Er erhielt den Ordensnamen Bruder Mein­rad und legte 1878 die Profess ab. Im Kloster über­nahm er verschiedene Auf­gaben vor al­­lem in der Schneiderei. Trotz schwächlicher Gesundheit führte er während 50 Jah­­ren ein Leben in tiefster Demut und Re­­geltreue. «Er war gerade, einfach, sehr be­­scheiden und zuvorkommend, ohne aufdringlich zu wirken. Trotz seiner Lie­­bens­würdigkeit war er kein Schmeichler oder Schönredner; er pflegte sich offen und frei zu äussern und konn­te, wenn notwendig, furchtlos und entschieden sich für seine Überzeugung einsetzen. Man wusste bei ihm immer wo­­ran man war.» Am 14. Juni 1925 verstarb Bruder Mein­rad Eugster. Rein äusserlich gesehen also kein Leben, das besondere Aufmerksamkeit auf sich zieht oder gar Bewunderung hervorruft. Doch was vor den Augen der Welt verborgen blieb, hatte Wert für die Ewigkeit! Er ist einer jener Menschen, die nichts Aus­ser­ge­­wöhnliches getan haben, aber das Ge­­wöhnliche mit einer aussergewöhnlichen Liebe. 1939 wurde sein Seligspre­­chungs­pro­­zess eingeleitet. 1960 erkannte ihn Papst Johannes XXIII. als «Ehrwürdigen Die­­­ner Gottes» an.

Lycarion May (1870–1909)
Benjamin May wurde in Bagnes geboren und trat in die Gesellschaft der Maris­ten­brüder ein. Er erhielt den Ordens­namen Lycarion, wur­de Lehrer in Spanien, wo er eine Schule in Arcenie­ga und in Pueblo Nuevo, einem Stadtteil Bar­celonas gründete. Nach der Nieder­la­ge Spaniens im amerikanisch-spanischen Krieg 1898 bra­­chen in Kata­lonien grosse Unruhen aus, die im Juli 1909 in Barce­lona in einen fünftägigen Generalstreik mündeten, der sich auch gegen die ka­­tho­lische Kirche richtete. Diese Tage wurden als die «Tra­­­gi­sche Woche» be­­kannt. Eine der ers­ten religiösen Einrich­tungen, welche die Wut der Aufständi­schen auf sich zog, war Bru­der Lycarions Schule in Pueblo Nuevo, Am 27. Juli 1909 sammelte sich eine Hor­­de Meuterer vor dem Haus. Unter falschen Sicherheits­verspre­chen wurden Lycarion und seine Brüder aufgefordert, in Ordenstracht aus dem Klos­ter zu kommen. Als Bruder Lycarion dies tat, wurde er von mehreren Kugeln tödlich ge­­troffen. Er wurde nicht aus politischen Gründen oder zwecks persönlicher Ra­­che ermordet, sondern aufgrund seiner Qualitäten als Christ und religiöser Er­­zieher. Er starb als Märtyrer der Reli­gion und der christlichen Erziehung. Papst Fran­ziskus hat ihn im Januar 2025 als «Ehrwürdigen Diener Gottes» anerkannt.
Paul Martone

 

THEOLOGIE DER MEDALLIEN

Die Skapuliermedallie

Diesen Monat schauen wir auf die Skapuliermedallie Unserer Lieben Frau vom Berg Karmel, die das Tragen des Stoff-Skapuliers ersetzt. Wenn man es trägt, stellt man sich unter den Schutz und die Sohnschaft der Jungfrau Maria.


1. Das Skapulier ist ein Quadrat aus braunem Wollstoff und war ur­­­sprünglich eine Schürze, die von den Mönchen getragen wurde, um ihre Gewänder nicht zu beschmutzen. Heute ist es ein fester Bestandteil der Klei­dung von Karmelitinnen und Kar­melitern.

2. Das Skapulier ist ein Sakramental, d. h. ein heiliges Zeichen durch das geistliche Wirkungen bezeichnet und auf die Fürsprache der Kirche erhalten werden. Im Rahmen eines Privilegs von Papst Johannes XXII. im Jahr 1322 werden diejenigen, die es tragen, am Samstag nach ihrem Tod von den Strafen des Fegefeuers befreit. Es ist jedoch kein magischer Talisman, weshalb das Auflegen des Skapuliers von einem Priester nach einem ganz bestimmten Ritual vorgenommen werden muss. 

3. Seine spirituelle Bedeutung ist mit der Verehrung Unserer Lieben Frau vom Karmel verbunden, die am 16. Juli gefeiert wird. Die ersten Karmeliten waren ehemalige Kreuzritter, die sich entschieden als Einsiedler in den Höhlen des Karmel zu leben, wo die Propheten Elija und Elischa sich angeblich aufgehalten hatten. Nach ihrer Rückkehr in den Westen wurde ihre Lebensweise in Frage gestellt. 1245 erschien die Jungfrau Maria dem hl. Simon Stock, dem Oberen des Ordens, um ihn ihres Schutzes zu versichern und ihm das Skapulier zu schenken.

4. Das Tragen des Skapuliers in Stoffform oder als Medallile ist ein Zeichen der Marienweihe, das uns in die karmelitanische Familie eingliedert und uns einlädt, wie Maria zu leben, indem wir ihre Tugenden der Demut, der Keuschheit und des Gebets nachahmen.

Pascal Ortelli / Photo : DR

Für Eltern von Kleinkinder

Die Eltern als Katecheten ihrer Kinder

Foto: © Anne

Der Bub Jesu

Wusste Jesus eigentlich als Bub schon alles, oder musste er auch lernen?
Darauf eine Antwort zu geben, die sich auf die Bibel stützt, ist schwierig, denn die Heilige Schrift berichtet aus der Jugendzeit von Jesus sehr wenig. Aber als Gott be­­schloss seinen Sohn auf die Erde zu schicken, sollte er Mensch werden wie alle Men­schen. Als normaler Erdenbürger musste er auch lernen, was sich gehört, und auch was nicht gut ist. Er wusste bei seiner Geburt nicht schon alles. Auch er musste die Schule besuchen, um Schreiben und Rechnen zu lernen und das Heilige Buch des jüdischen Volkes und seine Gebete kennenzulernen. Jesus war sicher ein aufgeweckter Junge, der gerne mit seinen Freunden herumtobte, so wie das die Kinder auch heute noch tun. PC und Handys gab es damals noch nicht, also konnten sie auch nicht den ganzen Tag davor sitzen. Sie gingen hinaus, spielten miteinander, entdeckten die Geheimnisse der Natur, von denen Jesus als Erwachsener immer wieder berichtete.
Und er lernte, wie es Kinder auch heute noch tun – durch Fragen. Warum ist der Himmel blau? Wo ist mein Hamster, der gestorben ist, jetzt? Und die Kinder sind oft nicht zufrieden mit der Antwort und löchern die Eltern immer mit der Frage: Warum?
Wahrscheinlich hat das Jesus auch gemacht. Er nimmt sich viel Zeit um zu lernen. Vielleicht hat er aussergewöhnlich viel nach Gott gefragt, sich gerne die Geschichten von Abraham und den Vätern des Volkes und vom grossen Tempel in Jerusalem erzählen lassen.
Dass auch der junge Jesus lernen musste, können wir in der Geschichte lesen, in der geschrieben steht, dass Jesus als 12-Jähriger mit seinen Eltern nach Jerusalem zog, um dort an einem grossen Fest den Tempel zu besuchen.  Nach den Festtagen machten sich seine Eltern mit ihrer Pilgergruppe wieder auf den Heimweg. Jesus aber blieb in Jerusalem zurück, ohne dass seine Eltern es merkten, da sie ihn irgend­wo in der Pilgergruppe vermuteten. Erst nach einer Tagesreise vermissten und suchten sie ihn. Nach drei Tagen fanden sie Jesus schliesslich im Tempel, wo er mitten unter den Schriftgelehrten sass, ihnen zuhörte, ihnen viele Fragen stellte und alle mit seinem Verständnis zum Staunen brachte. 
Jesus zeigt uns, dass wir mit dem Lernen nie aufhören sollen. Während unseres ganzen Lebens können wir Neues entdecken und vieles dazulernen. Wenn wir hie und da keine Lust zum Lernen haben, bitten wir doch Jesus, dass er uns helfe, wieder Freude am Lernen zu bekommen. Dann werden allmählich auch viele unserer Fragen beantwortet.
Paul Martone

Tabernakel

Tabernakel in Paray-le-Monial / Foto Paul Martone

Das Volk Israel wurde während seiner 40-jährigen Wüstenwanderung immer von Gott begleitet. Er war stets gegenwärtig in einem Zelt, das die Israeliten mit sich führten und an den Orten, an de­­­nen sie rasteten, aufstellten. Ein solches Zelt, das die Gegenwart Gottes bezeichnet, gibt es auch in jeder katholischen Kirche. Wir nennen es Tabernakel (vom Lateinischen «tabernaculum»‚ Hütte, Zelt). Er dient der würdigen Aufbewah­rung der gewandelten Hostien, die von der Kommunionausteilung übriggeblieben sind. Nach katholischem Glauben ist im Tabernakel Christus leibhaftig und bleibend gegenwärtig.
Daher ist der Tabernakel in der Regel ein kunstvoll gestalteter Schrein aus festen Wänden und verschliessbarer Tür. In die alten Hochaltäre war der Tabernakel als deren Mittelpunkt prachtvoll eingebaut, heute ist er oft an einer Seite des Altar­rau­mes angebracht. In der Allgemeinen Einführung in das Römische Messbuch heisst es: «Es wird sehr empfohlen, die Eucharistie in einer vom Kirchenraum ge­­­trennten Kapelle aufzubewahren, die für das private Gebet der Gläubigen und die Verehrung geeignet ist». Beim Taber­na­kel brennt immer ein Licht, ein so ge­­nanntes «Ewiges Licht». Es zeigt jedem, der die Kirche betritt, dass sich hier der Leib Christi befindet. «Es lädt ein, Jesus durch eine Kniebeugung zu grüssen, es lädt ein zur stillen Anbetung, denn im Tabernakel ist “Christus gegenwärtig”, das bedeutet, er wartet auf die Men­­schen, die müde und verzagt kommen, um Stärkung und Tröstung zu empfangen. Christus wartet auch auf jene, die liebend kommen, um anzubeten und mit dem Wort des biblischen Propheten Sa­­muel einfach zu sagen: “Herr, da bin ich!” Die katholischen Kirchen sind daher Orte einer spezifischen Gegenwart Gottes in seinem Sohn. Gott ist zwar allgegenwärtig, aber um des Menschen willen, der seine Geschichte und seine Grenzen hat, werden bestimmte Orte Anlass zu einer unverwechselbaren Begegnung zwischen Gott und Mensch» (Bischof Egon Kapellari).
In der Kommunion empfangen wir den Leib Christi. So wird jeder selbst zum Tabernakel, der Jesus Christus in sich trägt. Daher ist es theologisch gesehen auch nicht angezeigt, unmittelbar nach der Kommunion Richtung Tabernakel eine Kniebeuge zu machen. Nach der Messe sind alle eingeladen, Christus in die Welt hinauszutragen, in die Gesellschaft, in der er arbeitet, liebt und leidet. Dann ist Jesus immer mitten unter uns gegenwärtig.
Paul Martone 

Die Sprache in ihrem Umfeld betrachten

Foto: DR


Sowohl die Bibel als auch der Koran enthalten Worte, die im Namen Gottes die Tötung von Schuldigen oder die Stei­ni­gung von Ehebrechern fordern. Hier sind einige Bedingungen für die Auslegung sol­­cher Texte, denn ohne die Einhaltung die­­­ser Prinzipien kann man in Gefahr ge­­raten, abscheuliche Taten mit den christlichen Schriften zu rechtfertigen.

1. Ein Text kann nie aus seinem historischen Kontext herausgelöst und ohne wei­­­teres auf die heutige Zeit angewendet werden. Einige Passagen sind nämlich stark von der Zeit ihrer Ent­ste­hung geprägt. Das mosaische Gesetz über Sklaverei, Aus­­­länder oder Sexual­­praktiken ist nicht mehr wörtlich gültig, da sich die heutigen Umstände geändert haben.

2. Ein Vers kann nicht aus dem Kapitel oder Buch, in dem er steht, herausgelöst und als sofortiges Rezept für eine zeitgenössische Situation vorgesetzt werden. Der Text verlangt eine Aus­­ein­an­­der­set­zung mit ihm und seinen schein­­baren Dop­pel­deutigkeiten oder Widersprüchen (wie bereits die beiden Schöpfungsberichte in Genesis Kapitel 1 und 2), was uns von aller Spitz­­findigkeit oder jeglichem Fundamen­ta­lis­mus ab­­hält.

3. Die Heilige Schrift übt in ihrem Inneren eine wahrhaft progressive Pädagogik aus. Sie holt das Bundesvolk dort ab, wo es steht, zum Beispiel vor 3000 Jah­­ren, als sie Gott aufforderte, die Gegner auszurotten, und führt es Schritt für Schritt zur Fülle der Of­­fen­barung in Jesus Christus, der uns da­­­zu auffordert, nach dem Vorbild des Vaters unsere Zärtlichkeit so weit auszudehnen, dass wir unsere Feinde lieben.

4. Die empfohlene Methode für die Bi­­bellektüre ist die sogenannte «kanonische Auslegung, d. h. man betrachtet für jeden Textabschnitt, was die ge­­samte Bibel sagt.

5. Die Bibel ist weder ein Gesetzbuch noch ein Reservoir an fertigen Ant­wor­ten auf Fragen, die sich die Verfasser nicht stellen konnten.

Widersetzen wir uns also dem Miss­brauch von Zitaten aus dem Alten Testa­ment, die von ihrem ursprünglichen Nähr­boden abgeschnitten und ohne zu überlegen angewendet werden, um im Jahr 2025 Normen zu setzen. Eine Kontex­tua­lisierung im Licht der gesamten Schrift ist immer unerlässlich, denn sie ist die Gute Nachricht des Lebens.

François-Xavier Amherdt

Papst Leo XIV.

Foto: Stefano Lodi

«Papst Leo XIV. ruft auf, vorwärts zu gehen


«Der Friede sei mit euch!»

Am 8. Mai 2025 haben die Kardinäle einen neuen Papst gewählt: Kardinal Robert Francis Prevost, der sich den Namen Leo XIV. gegeben hat. 
Bei seinem ersten Auftritt als neugewählter Papst auf der Loggia des Petersdomes in Rom umriss der Heilige Vater sein Programm. Er unterstrich die Be­­deu­tung einer synodalen, dialogbereiten Kir­che, die sich durch Frieden, Nächsten­liebe und Nähe zu den Leidenden auszeichnet. Der Papst rief zum Frieden auf und dazu, ge­­meinsam vorwärtszugehen. 

Foto: Vatikan News

Sein Lebenslauf
Papst Leo XIV. wurde am 14. September 1955 in Chicago als Sohn des Ehepaares Louis und Mildred Martinez geboren. Seine Mutter ist spanischer Herkunft, sein Vater hat französisch-italienische Wurzeln. Nach der obligatorischen Schul­zeit studierte Robert Francis Ma- thematik an der Uni­versität von Villanova, ein Studium, das er mit dem Bachelor abschloss. 1977 trat Robert Francis Prevost dem Orden des heiligen Augustinus bei und wurde zum Studium des Kirchenrechts an die päpstliche Hoch­schule Thomas von Aquin («Angelicum») nach Rom geschickt, wo er am 19. Juni 1982 die Priesterweihe empfing. Sein Studium schloss er mit dem Doktorat ab. 1985 –1998 war er Mis­sionar in Peru. 2002 wählte ihn der Augus­tinerorden zu seinem weltweiten Leiter, sodass er nach Rom zurückkehrte. Nach Ab- lauf seiner Amtszeit ging er nach Chicago zurück. 2014 ernannte ihn Papst Fran­ziskus zum Apostolischen Admi­nistrator des Bistums Chiclayo (Peru), am 12. Dezember 2014 empfing er die Bischofsweihe. 2015 erhielt er in Anerken­nung seines langjährigen Engagements in Peru die peruanische Staatsbür­ger­schaft. 2018 wurde er zweiter Vizepräsident der peruanischen Bi­­schofs­kon­ferenz. Als Bischof hat Prevost die Situation in Lateinamerika kennengelernt und auch erfahren, was Armut ist. Papst Franziskus ernannte Prevost 2019 zum Mitglied der Kon­­gre­gation für den Klerus, 2020 zum Mitglied der Kongregation für die Bischöfe, 2020 zum apostolischen Adm­inistra­tor der Diözese Cal­lao, 2023 zum Vorsitzenden der Päpstlichen Kom­­­mission für Lateinamerika und zum Prä­fekten des Dikasteriums für die Bischöfe. Papst Franziskus wollte für künftige Bi­schofs­ernennungen jemanden verantwortlich wis­sen, der die Erfahrung eines Mis­sions­bi­schofs in einem armen Land ge­­macht hat und somit in das Profil von Papst Franziskus passte. Im Kon­­sistorium vom 30. September 2023 wur­de er zum Kardinal. 

Brückenbauer sein
Leo XIV. gilt als diplomatisch, pragmatisch und geschätzt bei progressiven wie konservativen Kirchenvertretern, ebenso bei seinen Mitar­bei­tern. Kardinal Christoph Schönborn, beschreibt ihn als «einen sehr herzlichen, bescheidenen und durch­­aus demütigen Mann», der gut zu­­hören könne und daher auch klar in seinen Antworten sei. Diese Fähigkeiten wird er in sei­­nem neuen Amt gut brauchen können, denn er sollte ein wahrer «Pontifex» sein, ein Brücken­bauer nicht nur in die Welt hinaus, sondern er muss auch die Kirche einen, die in verschiedene Lager zerrissen ist. Er soll Füh­rung über­neh­­­men und klar (gelegen oder un­­gelegen) die ka­tho­lische Lehre vertreten. Für Papst Fran­ziskus war es wichtig, die Men­schen an den Rändern der Kirche ins Zentrum zu rücken. Die­­se Länder hat der verstorbene Papst be­­sucht. Die Länder der Nord­halb­kugel (Nord­amerika und Europa) haben ihn nicht sehr interessiert. Hier sollte Papst Leo XIV. mehr Ver­ständ­nis aufbringen, denn selbst wenn Europa nicht mehr das Zentrum der katholischen Kir­che ist, herrscht hier ein grosser Hun­ger nach Spiritualität und Glauben. Diesen zu stillen, sollte eine der dringendsten Auf­gaben des neuen Heiligen Vaters sein, denn nur so kann die «schlafende» Kirche Europas wieder aufgeweckt werden und vom «feu sacré», dem heiligen Feuer des Pfingsttages ergriffen werden, das hoffentlich auch wieder vermehrt kirchliche Berufe her­­vorbringen wird.
Manche haben  sich im Blick auf die Po­­li­tik von US-Präsident Trump gefragt, ob es gut war einen Ame­ri­kaner zum Papst zu wäh­­len. Diese Sor­gen sind unbegründet, denn politisch ist Papst Leo XIV. nicht auf gleicher Linie wie Prä­­si­­dent Donald Trump. Dieser hat Papst Leo XIV. zwar zur Wahl gratuliert und diese als grosse Ehre für sein Land bezeichnet. Dabei hat er aber wohl ausgeblendet, dass Kardinal Robert Francis Pre­vost in den sozialen Medien Posts getätigt hat, die Kritik an der Ab­­schiebepolitik von Präsident Donald Trump, US-Vize­prä­­sident JD Vance und Nayib Bukele, dem Präsidenten von El Salva­dor, enthalten.

Sein Name
Ein neugewählter Papst wählt den neuen Namen, um  damit eine Botschaft zu verkünden. Papst Leo XIV. will damit an Papst Leo XIII. (1810 –1903) erinnern, der ein grosser Sozialreformer war und sich als erster Papst auf die Seite der einfachen Arbeiter stellte. Mit dem Schreiben «Rerum novarum» verfasste er 1891 die erste Sozialenzyklika der katholischen Kirche. Es war die Zeit der In­­dustria­lisierung, die jedoch zu einer Ver­ar­mung und Ausbeutung der Arbeiter führte, was Leo XIII. anprangerte. Die nach­­folgenden Päpste beriefen sich alle auf diese Enzyklika. Somit kann auch vom neuen Papst erwartet werden, dass er «starke Akzente in Richtung mehr Gerechtigkeit und mehr Integration der süd­lichen Hemisphäre in das Le­­ben der katholischen Kirche» setzen wird. Viele Auf­gaben erwarten den neuen Papst. S­­i­cher wird auch er nicht alle davon erfüllen können oder müssen. We­­sentlich ist, dass er so sein wird, wie er einmal das Idealbild eines Bi­­schofs um­­schrieben hat: «In erster Linie muss er “katholisch” sein: Manchmal besteht die Ge­­fahr, dass der Bischof sich nur auf die lokale Dimension konzentriert. Aber ein Bischof sollte eine viel umfassendere Vision der Kirche und der Reali­tät haben und die Universalität der Kirche er­­fahren ».

Paul Martone

«Er hat uns geliebt!»

Neues Leben für eine fast vergessene göttliche Zusage

Foto: Sr. Claudia

Am 24. Oktober 2024 hat Papst Fran­ziskus seine vierte Enzyklika veröffentlicht, die den Titel trägt: «Dilexit nos!» (Er hat uns geliebt). Der verstorbene Papst behandelt in diesem Schreiben die Herz-Jesu-Ver­­eh­rung. Im Herzen Jesu gründet und entspringt seiner Meinung die wahre Liebe. «Die Verehrung des Her­zens Christi ist nicht ein von der Per­son Jesu losgelöster Kult um ein Organ. Das, was wir betrachten und anbeten, ist der ganze Jesus Christus, der Mensch ge­­wordene Sohn Gottes, dargestellt in einem Bild, das sein Herz besonders be­­tont… Wir verehren zwar das Bild, das ihn darstellt, aber die Anbetung gilt ausschliesslich dem lebendigen Christus. Des­­halb sollte niemand denken, dass uns diese An­­dachtsform von Jesus Chris­­­tus und seiner Liebe trennen oder ablenken kann. Sie führt uns unmittelbar und direkt zu ihm und zu ihm allein», so Franziskus. 
«Mit “Dilexit nos” bekommt die Liebe einen spirituellen Tiefgang, der in der Liebe Jesu Christi wurzelt. Im Herzen Jesu gründet und entspringt die wahre Liebe, die konkret unsere Herzen und diese Welt zum Guten verändern will. Dieser Gedanke liegt dem Papst als Jesuit besonders nahe. «Er wünscht sich, dass die Christen im Blick auf das Herz Jesu der Welt Herzlichkeit schenke», erklärte der Augsburger Bischof Bertram Meier. Als eine Art geistliches Testament fasst diese Enzyklika die bisherigen Lehr­schreiben von Papst Franziskus un­­ter eine gemeinsame Klammer. Sehr per­­sönlich beschreibt der Papst seine eigenen Erfahrungen in der Kindheit und erklärt, aus welchen Quellen sich sein Glauben, sein Traum von einer besseren, gerechteren Welt und seine Sorge für die Umwelt speisen.

Im Zentrum des Evangeliums
Die Spiritualität um die Verehrung des Her­­zens Jesu wird in weiten Kreisen oft belächelt. Für viele ist sie eine seichte, fade, unmännliche Frömmigkeit ohne ernst­zunehmendes theologisches Funda­­ment. Dass dem nicht so ist, zeigt das päpstliche Schreiben sehr deutlich. Der Text hat die Kraft, einen vielerorts beobachtbaren Frömmigkeitskitsch und Ver­­krustungen einer rein folkloristisch ver­stan­denen Herz-Jesu-Verehrung zu über­­winden. Diese dürfe keinesfalls «in der Mottenkiste einer schönen alten Tra­­di­tion verkommen», betonte der Bischof von Innsbruck, Hermann Glett­ler. Zwar gibt es auch in dieser Form der Spiri­tualität einige Entgleisungen und manchen Kitsch, doch letztlich geht es um die Menschwerdung Gottes. «Und im Kern der Enzyklika steht tatsächlich das Zentrum des Evangeliums, nämlich: Gott hat Fleisch angenommen, er ist Mensch geworden, und zwar wirklich Mensch. Es geht um eine Religion der Liebe, um eine Religion des Konkreten», so der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer. Es gehe dabei nicht um Moral, sondern um Erlösung. Es geht nicht um Anspruch, sondern um Zuspruch, nicht um Ansage, sondern um Zusage und nicht um Im­­pe­rativ, sondern um den Indikativ: Ihr seid das Licht der Welt und das Salz der Erde. Wenn «wir versucht sind, uns an der Oberfläche zu bewegen, in Hektik zu leben, ohne letztendlich zu wissen, wo­­zu, wenn wir Gefahr laufen, zu unersättlichen Konsumenten zu werden, zu Skla­ven eines Marktsystems, das sich nicht für den Sinn unseres Lebens interessiert, dann tut es not, die Bedeutung des Her­zens wieder neu zu entdecken», so der Papst in seinem Schreiben.

Hl. Margareta Maria Alacoque und die Herz-Jesu-Erscheinung.
Foto: Sr Catherine, Kirchenfenster in Yvoire (F)

Keine Zeit mit unnützen Diskussionen verlieren
Der Mensch hat nicht nur einen Ver­­stand, dessen er sich möglichst oft bedienen sollte, sondern er hat auch ein Herz und dieses kennt nach einem Wort des französischen Philosophen Blaise Pascal «eine Vernunft, die die Vernunft nicht kennt». Für den Papst müssen wir stattdessen erkennen, dass «ich mein Herz bin, denn es ist das, was mich auszeichnet, was mich in meiner spirituellen Iden­­tität prägt und was mich in Gemein­schaft mit anderen bringt».  Das heisst, die grossen Entscheidungen des Lebens werden nicht durch die Vernunft getroffen oder durch Kalkül und Mathematik, sondern durch eine innere Intuition. Menschen, die die Liebe Christi erfahren hätten, könnten nicht anders, als «diese Liebe weiterzugeben, die ihr Leben verändert hat». 

Im Herzen Jesu «können wir das ganze Evangelium finden, dort ist die Wahrheit, an die wir glauben, zusammengefasst, dort ist das, was wir im Glauben verehren und su­­chen, das, was wir am meisten brauchen», schreibt das Kirchenoberhaupt.

Herz-Jesu, Paray-le-Monial. Foto: Paul Martone

Sie wollten nicht «Zeit mit Diskussionen über zweitrangige Themen verlieren oder damit, Wahrheiten und Re­­geln aufzuerlegen, denn ihr Hauptan­liegen ist es, das weiterzugeben, was sie erleben», so Franziskus. «Das christliche Angebot ist dann attraktiv, wenn es ganz­heitlich gelebt und manifestiert werden kann: nicht als blosse Zuflucht in religiösen Gefühlen oder ostentativen Ri­­tualen. Was für eine Anbetung wäre es für Christus, wenn wir uns mit einer individuellen Beziehung begnügen würden, ohne jedes Interesse daran, anderen zu helfen, weniger zu leiden und besser zu leben?»
«Dilexit nos!» erschien gegen Ende der zweiten Sitzung der Weltsynode, in einer Zeit, in der die katholische Kirche sich fragt, wie man aus Formen von Kleri­ka­lismus und fehlgeleiteten Autoritäten ausbrechen und mehr aktive Gemeinschaft entfalten kann, in der jeder Einzelne be­­rücksichtigt wird. Für manche Kommen­ta­­toren werde eine solche Meditation zweifellos dabei helfen, tiefer zu gehen als nur bis zu den etwas trockenen De­­batten über Strukturen, Ämter und Funk­tionsweisen. Mit der Betonung der Herz-Jesu-Verehrung unterstreicht Franzis­kus: Bitte, achtet auf einen Gott, der ein Herz hat für diese Welt. Dabei hat der Papst offenbar auch einen kleinen Sei­tenhieb auf manche Reformkreise pa­­rat: Er kritisiert solche «Gemein­schaf­­ten und Seelsorger, die sich nur auf äus­sere Ak­­tivitäten konzentrieren, auf Struk­tur­­re­­for­men ohne das Evangelium, auf zwang­­hafte Organisationen, weltliche Pro­­jekte, säkularisiertes Denken, auf ver­­­­schie­­dene Vorschläge, die als Anfor­de­rungen präsentiert werden und manchmal den An­­spruch erheben, allen auferlegt zu wer­­­den». Das Ergebnis sei oft «ein Christen­tum, das die Zärtlichkeit des Glaubens, die Freude am Dienst, den Eifer der Mis­sion von Mensch zu Mensch, die Er­­o­be­rung durch die Schön­­heit Christi, die er­­greifende Dankbarkeit für die Freund­schaft, die er uns geschenkt hat, verges­sen hat». Ausufernde Debat­ten ver­­­nach­lässigten demnach das Feuer des Glau­bens. Die Kirche solle sich daher nicht in endlosen Diskussionen, aber auch nicht in Ritualen verlieren.

Herz-Jesu Kirche in Sitten. Foto: Paul Martone­­­

Menschen sollen ein offenes Herz haben
Ohne Zweifel ist diese Enzyklika auch für die Menschen von heute wegweisend, denn der Mensch sei «in Gefahr, die Mitte zu verlieren, die Mitte seiner selbst». Heute sei alles käuflich und be­­zahlbar, so der Papst «und es scheint, dass Sinn und Würde von Dingen ab­­hän­­gen, die man durch die Macht des Geldes erwirbt. Wir werden getrieben, nur anzuhäufen, zu konsumieren und uns abzulenken, gefangen in einem entwürdigenden System, das uns nicht erlaubt, über unsere unmittelbaren und armseligen Bedürfnisse hinauszusehen. Die Lie­be Christi steht ausserhalb dieses abartigen Räderwerks, und er al­­lein kann uns von diesem Fieber befreien, in dem es kei­­nen Platz mehr für eine bedingungslose Liebe gibt. Er ist in der Lage, dieser Erde ein Herz zu verleihen und die Liebe neu zu beleben, wo wir meinen, die Fä­higkeit zu lieben sei für immer tot». Dem­gegenüber hält der Papst fest: «Wenn im Herzen die Liebe regiert, ge­­langt der Mensch schliesslich zu seiner vollen und leuchtenden Identität, denn jeder Mensch wurde vor allem für die Liebe geschaffen, ist in seinen tiefsten Fa­­sern dazu gemacht, zu lieben und ge­­liebt zu werden.» Die Basis dafür ist, selbst ein offenes Herz zu haben. Um das Göttliche zu empfangen, müssen wir ihm ein Gast­haus bauen, betont Fran­­ziskus, um dann zu ergänzen: «Wenn wir aus dieser Liebe schöpfen, werden wir fähig, geschwisterliche Ban­de zu knüpfen, die Würde jedes Men­schen anzuerkennen und zu­­sammen für die Umwelt Sorge zu tragen.» 

Eine Bitte an die Spötter
«Ich bitte darum, dass sich niemand über die Ausdrucksformen frommer Hingabe des gläubigen Gottesvolkes lustig macht, dass in seiner Volksfrömmigkeit versucht, Christus zu trösten. Und ich lade einen jeden ein, sich zu fragen, ob in manchen Erscheinungsformen dieser Liebe, die den Herrn zu trösten sucht, nicht mehr Vernunft, mehr Wahrheit und mehr Weisheit steckt als in den kalten, unnahbaren, berechneten und minimalistischen Taten der Liebe, zu denen wir fähig sind, die wir behaupten, einen ref­lektierteren, kultivierteren und reiferen Glauben zu besitzen.»

Paul Martone

 

Für Eltern von Kleinkinder

Die Eltern als Katecheten ihrer Kinder

Foto © by_Andrea Zachert_pixelio.de

Fronleichnam

Am 19. Juni feiern wir dieses Jahr das Fronleichnamsfest. Den Kindern den Begriff und den Inhalt von Fronleichnam zu erklären, ist nicht einfach. Wichtig ist es, dass die Kinder und auch die Erwachsenen verstehen, dass es bei diesem grossen Fest nicht um die Verehrung eines Leichnams geht, wie es der Titel auf den ersten Blick vermuten lässt. Das Wort «Fronleichnam» kommt aus dem Mittelhochdeutschen. Das ist die deutsche Sprache, so wie sie zwischen 1050 und 1350 gesprochen wurde. «Fron» steht für «Herr» und «lichnam» steht für «Leib».
Es geht nämlich genau um das Gegenteil, nämlich um den lebendigen Leib von Jesus. Diesen können die Erwachsenen und auch die Kinder nach der Feier ihrer Erst­­kommunion in der Hostie, in jeder Kommunion der Messe empfangen. Als Katholiken glauben wir, dass Jesus in der Hostie immer bei uns ist. Jesus selbst hat uns und seinen besten Freunden versprochen, dass er da ist, und zwar auch aus­serhalb der Messe. Nach der Messe werden die Hostien, also der Leib Christi, in der Kirche in einem kleinen Schrank, der kunstvoll bemalt oder mit Gold verziert ist, aufbewahrt. Wir nennen diesen Schrank «Tabernakel». Zum Zeichen dafür, dass Jesus im Tabernakel anwesend ist, brennt daneben immer ein kleines rotes Licht.
Jesus will aber nicht immer in der Kirche bleiben. Er möchte mit uns durch das Dorf gehen und es kennenlernen und vor allem auch seine Be­­wohner und Bewohnerinnen. Er möchte se­­hen, wo wir wohnen und arbeiten. Deshalb ma­­chen die Katholiken am Tag von Fron­leich­nam einen grossen Umzug durch das Dorf. Dabei trägt der Pries­ter den Leib Christi in der Monstranz mit sich. Dies ist ein wertvolles Gerät aus Gold und Silber, damit alle sehen und spü­ren kön­­nen, wie wichtig uns die­­­ser Jesus ist. 


An Fronleichnam machen wir aber keinen Umzug wie bei einem Musik­fest, sondern eine Prozession, an der die Menschen miteinander beten und sich freuen, dass Jesus mitgeht. An mehreren Stellen im Dorf wird angehalten. Dort gibt der Priester bei einem geschmückten Tisch (einem Altar) mit dem Leib Christi in der Monstranz den Segen über die Leute und das ganze Dorf. 
Fronleichnam ist für die Pfarreien immer ein grosses, frohes Fest, an dem es viel zu sehen und zu hören gibt, angefangen bei der Musik, über Ehrengarden, Trachten und blumengeschmückten Strassen. Das Wich­tigste ist aber die kleine Hostie in der Monstranz, durch die Jesus uns zeigt, dass er uns liebt und uns durch Freude und Leid begleiten will.
Der heilige Franziskus sagte: «Alle Geschöpfe der Erde fühlen wie wir. Alle Ge­­schöp­fe streben nach Glück wie wir. Alle Geschöpfe der Erde lieben, leiden und sterben wie wir, also sind sie uns gleichgestellte Werke des allmächtigen Schöpfers – unsere Brüder.»
Der Theologe Dr. Michael Rosen­­berger, schrieb einmal: «Ein Him­mel ohne Tiere wäre kein Himmel».
Wir dürfen also den Kindern, die ein Tier verloren haben, zu dem sie eine enge Bindung hatten, sagen, dass wir darauf hoffen dürfen, unsere vier­beinigen Freunde im Himmel wiederzusehen.
Paul Martone – Fotos Sr Catherine

THEOLOGIE DER MEDALLIEN

Die Herz-Jesu Medallie

Im Monat Juni, der dem Heiligsten Herzen Jesu geweiht ist, schauen wir uns die Herz-Jesu-Medallie an. Sie zu tragen bedeutet, sich an die grosse und unendliche Liebe zu erinnern, die Christus für uns hat.


1. Die Verehrung des Heilig­sten Herzens Jesu hat ihren Ur­­sprung in der Haltung des Apostels Johannes, der beim Letzten Abendmahl seinen Kopf auf das Herz von Jesus legt. Ihren eigentlichen Auf­schwung erlebte sie im 18. Jahr­hundert mit Johannes Eudes und der Schwes­ter Marga­­reta-Maria Alacoque. 

2. Die Darstellung des Heilig­sten Herzens erinnert an das Leiden Christi am Kreuz auf Golgotha. In der Bibel ist das Herz Symbol und Quelle der grössten Liebe.

3. Das Herz ist von der Dornenkrone umgeben. Die Wunde, die durch die Lanze des römischen Soldaten bei der Kreuzigung entstand, ist auf der linken Seite dargestellt. Wasser und Blut, die daraus flossen, wurden mit der Liebe verbunden, die Christus für uns hat, unter anderem vom heiligen Bernhard von Clairvaux im 12. Jahr­­hundert.

4. Die Flamme und die Strahlen, die vom Herzen ausgehen, symbolisieren die brennende Barmherzigkeit des Herrn uns gegenüber.

5. Jesus nimmt hier die Haltung des Auferstandenen und des Erlösers an: ausgebreitete Arme als Zeichen der Aufnahme, die Wundmale (Stigmata) an seinen Händen. Er teilt mit uns sein göttliches Leben.

Pascal Ortelli / Photo : DR

Für Eltern von Kleinkindern

Die Eltern als Katecheten ihrer Kinder

Foto © by_Andrea Zachert_pixelio.de

Kommen Tiere eigentlich auch in den Himmel?

Menschen und Tiere müssen sterben. Unser Glaube sagt uns, dass Menschen nach dem Tod von Christus zum Leben auferweckt werden und bei ihm im Himmel sein dürfen. Doch, was geschieht mit den Tieren, die uns wichtig waren? Kommen diese auch in den Himmel? Wenn Kinder fragen, fällt uns die Antwort ganz leicht: Dein Tier ist jetzt im Himmel. Das tröstet und regt die Fantasie an. Doch stimmt das auch? Kommen auch Tiere in den Himmel? Man kann diese Frage auch umdrehen: Warum sollten Haustiere nicht in den Himmel kom­­men? Warum sollte es dort keine Tiere geben? Ich habe darauf keine letzten Antworten, aber die Bibel kann uns hier ein paar Hinweise geben.
Zuerst wissen wir, dass Gott nicht nur die Menschen erschaffen hat, sondern auch die Tiere, angefangen beim Vieh, über die Kriechtiere bis hin zu den Tieren des Fel­des. Der Mensch darf allen Tieren einen Namen geben, sie sollen ihm Hilfe und Gefährten sein. Und das alles fand Gott sehr gut. An mehreren Stellen spricht die Bibel deutlich davon, dass die Tiere Gott sehr am Herzen liegen. Alles Wild des Waldes, das Vieh auf den Bergen gehört ihm. Er kennt alle Vögel der Berge, und was sich regt auf dem Feld ist sein Eigentum. Dass Gott es mit den Tieren gut meint, zeigt sich auch darin, dass sich bei der Sintflut von jedem Tier ein Paar in die Arche flüchten durfte, und dass Gott nach dem Abfliessen des Wassers nicht nur mit den Menschen einen Bund schloss, sondern auch «mit allen Lebewesen, mit den Vögeln, dem Vieh und allen Tieren des Feldes, mit allen Tieren der Erde».
Die Bibel kann sich das messianische Friedensreich gar nicht ohne Tiere vorstellen. Der Prophet Jesaja schreibt, dass dann alle Tiere friedlich miteinander und mit den Men­schen leben. Auch die kleinsten Tiere werden von Gott nicht vergessen: «Verkauft man nicht fünf Spatzen für ein paar Rappen? Und doch vergisst Gott nicht einen von ihnen».


Der heilige Franziskus sagte: «Alle Geschöpfe der Erde fühlen wie wir. Alle Ge­­schöp­fe streben nach Glück wie wir. Alle Geschöpfe der Erde lieben, leiden und sterben wie wir, also sind sie uns gleichgestellte Werke des allmächtigen Schöpfers – unsere Brüder.»
Der Theologe Dr. Michael Rosen­­berger, schrieb einmal: «Ein Him­mel ohne Tiere wäre kein Himmel».
Wir dürfen also den Kindern, die ein Tier verloren haben, zu dem sie eine enge Bindung hatten, sagen, dass wir darauf hoffen dürfen, unsere vier­beinigen Freunde im Himmel wiederzusehen.
Paul Martone

THEOLOGIE DER MEDAILLEN

Die Medaille der heiligen Rita

In diesem Monat werfen wir einen Blick auf die Medaille der heiligen Rita. Ihr Fest wird am 22. Mai begangen. Sie ist die Patronin für hoff­nungslose Fälle. Sie lehrt uns Geduld und erinnert uns daran, dass es keine Situation ohne einen möglichen positiven Ausgang gibt.


1. Margherita Lotti, so ihr Taufname, wurde im Mai 1381 in Umbrien geboren. Am Tag nach ihrer Taufe umkreisen Bienen, die hier durch die Wolke symbolisiert werden, ihre Wiege, um ihr Honig in den Mund zu geben. Ein an der Hand verletzter Mann versucht, sie zu vertreiben, und wird auf mysteriöse Weise geheilt.

2. Sie wird gezwungen, Paolo Mancini, einen gewalttätigen Mann, zu heiraten. Sie betet 18 Jahre lang für seine Bekehrung, bevor er ermordet wird. Ihre Zwillinge wollen ihren Vater rächen. Rita
betet, um sie davon ab—zu–bringen. Ihr ist es lieber, dass sie eines natürlichen Todes ster-ben, als dass sie einen Mord begehen. Sie werden von der Pest dahingerafft.

3. Als Witwe geht ihr sehnlichster Wunsch in Erfüllung. Mit 36 Jahren tritt sie als Nonne bei den Augustinerinnen des Klosters Santa Maria Magdalena in Cascia ein und kümmert sich um die Armen.

4. Vor dem Kruzifix und der Dor–nenkrone betend, bittet sie Gott, in ihrem Fleisch an den Leiden Christi teilzuhaben. Sie wird erhöht: Ein Dorn löst sich und bohrt sich in ihre Stirn. Dieses Stigma behält sie bis zu ihrem Tod.

5. Auf ihrem Sterbebett im Jahr 1457 bat sie ihre Cousine, ihr mitten im Winter eine Rose zu pflücken – ein Symbol für die Gnaden, die sie für diejenigen erlangt, die zu ihr beten.

Pascal Ortelli / Photo : DR

Das Weihwasser

Weihwasserbecken in der Kirche von Falera GR / Foto: Sr Catherine

In den katholischen Kirchen befindet sich am Eingang – innen oder aussen – ein Becken, das Weihwasser enthält. Wenn jemand die Kirche betritt, taucht er seine Finger in dieses Wasser und bekreuzigt sich damit. Mit diesem Zeichen erinnern sich katholische Christen und Christinnen an ihre Taufe, an den Beginn des gemeinsamen Lebens mit Jesus Christus. Die Taufe im Wasser und im Heiligen Geist hat den Menschen die Tür in die Kirche geöffnet. Sie sind nun Kinder Gottes, gehören zur Gemeinschaft der Christen und leben ein Leben mit Gott. Wenn wir in der Kirche Weihwasser nehmen, zeigen wir, dass wir in unser Zuhause eintreten. Wir geben Zeugnis von unserem Glauben und erfahren dadurch selbst Gnade und Kraft, Hilfe und Schutz.
Das Weihwasser ist nicht ein gewöhnliches Wasser, sondern, wie es das Wort schon sagt, ein geweihtes Wasser. Im Segens­gebet erinnert der Priester daran, dass alles seinen Ursprung in Gott hat. Es wird der Dank für die vielen Zeichen der Liebe und des Erbarmens Gottes ausgesprochen. Dann wird das Wasser gesegnet mit der Bitte, dass alle, die es gebrauchen, Gottes Nähe und Schutz erfahren dürfen. Während des Gebets wird das Wasser mit Salz vermischt. Salz gibt Würze und Kraft, Wasser spendet Leben. Das Weihwasser ist Zeichen der Lebenskraft, die Gott schenkt.
Die Kirche lädt uns ein, auch zuhause stets Weihwasser zu haben und es auch zu gebrauchen, etwa beim Aufstehen am Morgen und beim zu Bett gehen am Abend; vor einer Fahrt und jedem wichtigen Werk, in Gefahren und Schwierigkeiten, vor Entscheidungen, Prüfungen usw. Weihwasser ist keine magische Formel und soll auch nicht als eine Art Talisman gebraucht werden, sondern im lebendigen Glauben an die Güte Gottes! 
Jeder Mensch kann Verwandte und Bekannte, aber auch völlig Unbekannte segnen, indem er ihnen das Weihwasser «schickt». Ich kann mich noch an meine Grossmutter erinnern, die jeden Abend bevor sie ins Bett ging, über all ihre abwesenden Kinder, Enkelkinder und Bekannten mit Weihwasser den Segen zeichnete, um sie dadurch Gott zu empfehlen und unter seinen Schutz zu stellen. Dasselbe tat sie jeden Abend auch für die Verstorbenen, und tagsüber auf dem Friedhof sprengte sie Weihwasser auf die Gräber, um die Toten der Barmherzigkeit Gottes anzuvertrauen.
Weihwasser besitzt eine tiefe Symbolik und geistige Kraft. Es verbindet uns mit unserer Heilsgeschichte, schützt uns vor dem Bösen, reinigt und erinnert uns daran, dass wir durch das Wasser der Taufe Kinder Gottes geworden sind. Indem wir Weihwasser bewusst verwenden, wird unser Alltag mit seiner Routine zu einem Akt des Glaubens, in dem wir darauf vertrauen, dass Gott in uns wirkt, uns reinigt und beschützt.
Paul Martone 

Generationsübergreifend (Joel 2,16;3,1)

Der Heilige Geist schenkt alten Men­schen und Menschen, die in ihrer kör­perlichen und geistigen Unversehrt­heit beeinträchtigt sind, durch das Sakrament der Krankensalbung seinen Beistand. Foto DR, Essentiel

«Versammelt das Volk, heiligt die Ge­­meinde! Versammelt die Alten, holt die Kinder zusammen, auch die Säuglinge! Der Bräutigam verlasse seine Kammer und die Braut ihr Gemach». (Joel 2.16) Als Joel, einer der «zwölf kleinen Pro­pheten», das Volk zur Busse aufrief, wandte er sich ausnahmslos an alle Ge­­nerationen, nicht nur an ältere und er­­wachsene Menschen, sondern auch an die ganz Kleinen!
Diese Aufforderung ertönt zu Beginn jeder Fastenzeit, am Aschermittwoch: «Kehrt um zu mir von ganzem Herzen mit Fasten, Weinen und Klagen! Zerreisst eure Herzen, nicht eure Kleider, und kehrt um zum Herrn, eurem Gott! Denn er ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Huld und es reut ihn das Unheil». (Joel 2, 12-13).
Für eine solche Bekehrung ist es uner­läss­lich, dass alle Mitglieder der Ge­­mein­schaft zusammenhalten und die not­­wendigen Schritte zur Versöhnung unternehmen. Andernfalls werden die Konflikte und Missverständnisse bestehen bleiben. 
Um dies zu erreichen, ertönt am Ende der Osterzeit, am Pfingstfest, ein weiteres Orakel aus demselben prophetischen Buch mit der Verheissung von Got­tes Geschenk in Fülle: «Ich werde meinen Geist ausgiessen über alles Fleisch. Eure Söhne und Töchter werden Propheten sein, eure Alten werden Träume haben und eure jungen Männer haben Visionen. Auch über Knechte und Mägde werde ich meinen Geist ausgies­sen in jenen Tagen. Ich werde wunderbare Zeichen wirken am Himmel und auf der Erde.» (Joel 3,1-3a)
Die Zeit ist erfüllt, die Stunde der Gnade ist gekommen durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi. Der Heilige Geist wird den Babys bei der Taufe, den Kindern in der Vergebung und der Eucha­ristie, den Jugendlichen und Heran­wach­­­­senden bei der Firmung, den Ehe­part­nern bei der Eheschliessung, den Diako­nen, Priestern und Bischöfen durch das Zeichen der Weihe in grossem Mas­se geschenkt. Und auch an alte Men­schen und an Menschen, die in ihrer kör­per­lichen und geistigen Unversehrt­heit be­­einträchtigt sind, durch das Sakra­ment der Krankensalbung.
Es ist nicht möglich, in der Kir­­che Sektionen zu bilden. Die Rentner brau­chen die jugendliche Dynamik, die Klei­nen tragen ihre Eltern und Gross­eltern. Es ist derselbe Geist, der absolut alle Glieder des Leibes vereint, unabhängig von ihrem Alter. (vgl. 1 Korinther 12, 4-11)
François Xavier Amherdt

Hin zu einer Kirche der Rentner

Foto: Flickr, Pxhere, Pixabay

Häufig werden vor allem unsere Werktagsmessen, aber auch die sonntäglichen Gottesdienste mehr­heitlich von älteren Menschen be­sucht. Dieses Phänomen zeigt sich auch auf der Ebene der Organisation der Pfar­reien. Be­­wegen wir uns auf eine Kirche der Rentner zu?

Foto: Flickr, Pxhere, Pixabay


Das 20. Jahrhundert war Schauplatz meh­­rerer demografischer Revolutionen. Die erste Feststellung ist der Rückgang der Sterblichkeit bei der Geburt sowie ein allgemeiner Rückgang der Frucht­bar­keit. Am auffälligsten ist jedoch die hö­­here Lebenserwartung, die das Ge­­sicht der Bevölkerung in der Schweiz völlig ver­ändert hat. Es gibt immer mehr Men­schen, die in den Genuss der Rente kommen, und es wird immer üblicher, dass einige das mehr als respektable Alter von 100 Jahren erreichen. Bevor wir über die Folgen dieser Entwicklung sprechen, sollten wir zunächst über die Bedeutung und den Wert des Alters sprechen.

Die Vorteile des Ruhestands
Wer in den Ruhestand geht, ist oft frei von den Sorgen um die Finanzen, vom Termindruck und von Hierarchien, von Kon­­kurrenz und Leistungsanfor­derun­gen. Sie werden ermutigt, sich wieder in der Gesellschaft zu engagieren, gemäss ihren Überzeugungen, ihrem Charisma und ihrem Glauben. Sie erkennen besser ihre authentische Sehnsucht nach dem «Sein» und nicht nach dem «Tun». Kurz gesagt, sie können freie und offene Entscheidungen über die Nutzung und den Umgang mit ihrer Zeit treffen. Auf diese Weise öffnet sich ihr Leben für eine ruhigere Zeit und die Möglichkeit, sich viel einfacher wohlwollend, bescheiden und frei zu verhalten und insbesondere denjenigen aufmerksam zuzuhören, denen sie auf ihrem Lebensweg be­­­geg­nen. Lassen Sie uns auch andere Werte erwähnen, die in der Heiligen Schrift her­­­­vorgehoben werden.

Die Heilige Familie aus dem Haus Canigiani (Sacra Famiglia Canigiani), die Raffael zwischen 1506 und 1508 in Florenz  für den Tuchhändler Domenico Canigiani geschaffen hat. Es zeigt die Heilige Familie, die Heilige Elisabeth (links), den Johannesknaben und zwei Engel. Das Bild befindet sich heute in der Alten Pinakothek in München. Foto: Flickr, Pxhere, Pixabay

Ältere Menschen in der Bibel
Schlagen wir also die Bibel auf, um die Bedeutung und den Wert des Alters besser zu verstehen. Das Buch Levitikus drückt sich wie folgt aus: «Du sollst vor grauem Haar aufstehen, das Ansehen eines Greises ehren und deinen Gott fürch­ten. Ich bin der Herr.» (Lev 19,32) Mehrere Senioren umgeben die Geburt Jesu: Zacharias und Elisabeth, die in
fortgeschrittenem Alter waren, gebaren Johan­nes den Täufer, den Vorläufer. Simeon «lebte in der Erwartung der Ret­tung Israels». Hanna, die 84-jährige Prophetin, «hielt sich ständig im Tempel auf und diente Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten» (Lk 2,37). Dies ist ein klarer Beweis dafür, dass ältere Men­schen weder arbeitslos noch vom Dienst ausgeschlossen sind! Es gibt keine Alters­grenze für den Dienst des Herrn.

Ältere Menschen in der Kirche
Und wie sieht es in der Kirche aus? Positiv ausgedrückt: Die Weisheit der Älteren, ihre eigene Spiritualität, ihr Zeug­nis, das meist auf einfache Weise zeigt, dass es möglich ist, ein ganzes Leben lang im Glauben zu stehen und das eigene Lebensende in einer ruhigen und zuversichtlichen Geisteshaltung anzugehen – all dies sind Merkmale, die authentisch und spezifisch mit dem Aufbau der Kirche und ihrer Ausstrahlung in der heutigen Welt verbunden sind. Zu diesen spirituellen Erwägungen kommen selbstverständlich auch Feststellungen des ge­­sunden Menschenverstandes hinzu. Älte­re Menschen stellen einen wesentlichen Teil der heutigen christlichen «Öffent­lich­keit» dar. Was würde aus unseren Sonn­tagsgottesdiensten werden, wenn man absurderweise alle Gläubigen über 60 Jahre aus den Gottesdiensten entfernen würde? Wer würde in unseren grossen Kirchenschiffen übrigbleiben? Die gleiche absurde Argumentation könnte auch auf unsere kirchlichen Dienste angewandt werden, auf lokaler, aber auch auf regionaler oder sogar diözesaner Ebene. Was wäre die Kirche ohne all die Freiwilligen, die sie sichtbar machen, die sie am Le­­ben erhalten? Und wie hoch ist unter die­sen grosszügigen Seelen der Anteil der Menschen, die im Ruhestand sind und ihre Freizeit grosszügig nutzen?

Zeugnisse
Es ist an der Zeit, diese in der Seelsorge engagierten Senioren zu Wort kommen zu lassen. Sara, in ihren Siebzigern, kümmert sich um den Blumenschmuck in ihrer Kirche. Sie berichtet: «Bei diesem kirchlichen Dienst “Blumenschmuck” ist das

Wertvolle, dass die Floristin die Texte der Liturgie zur Geltung bringt und gleich­zeitig der Pfarrei beim Beten hilft. Diese Aufgabe ist vielfältig und lässt dank des Reichtums der liturgischen Zeiten Raum für Fantasie: Wie kann man Freu­de, Schmerz und Hoffnung ausdrücken? Die Wahl der Blumen und ihrer Farbe, die Pflanzen und die Accessoires, die sie zur Geltung bringen, verleihen dem Blumen­ar­­rangement einen besonderen Platz in der Liturgie, der auch zur Schön­heit der Feier beiträgt. Wir müssen vor allem nach Ein­fachheit streben, um dem Blumenstrauss die wahre Be­­deu­tung des Lobpreises zu verleihen. Das unterscheidet uns von professionellen Floristen.

Foto: DR


Viviane, eine Frührentnerin, beteiligt sich am Leben ihrer Pfarrei als Sängerin im Chor, als Lektorin und als Vorsitzen­de des Pfarreirats. Sie erklärt uns die Gründe für ihr Engagement: «Mein Durst, Gott kennenzulernen, hat mich auf den Weg der Musiknoten und der liturgischen Akkorde von Cis-Dur zum B-Moll geführt. Mein Glaube hat grosse Schritte gemacht, als ich mich für die Lesung des Wortes en­­gagierte, bis ich meine Pfarrei mit Stolz unterstützte, indem ich akzeptierte, Vor­sitzende des Pfarreirats zu werden. Eine Quelle der Bereicherung, des Gebets, des Aus­tauschs und der Begegnungen.»

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Wo sind die jungen Leute?
Die Rentner sind sich bewusst, dass sie nicht ewig leben werden. Ich hatte einmal einen 70-Jährigen, der im Organisations­komitee des Patronatsfestes seines Dor­fes war, erwischt, wie er einen Erwach­senen in den Vierzigern zur Rede stellte. Er wies ihn darauf hin, dass das Durch­schnittsalter des Komitees bei über 60 Jahren lag. Es war also dringend notwen­dig, über Nachwuchs nachzudenken. Und das ist das grundlegende Problem. Es betrifft nicht nur die Pfarreien, sondern die gesamte Gesellschaft. Ein Be­­weis dafür ist die Schwierigkeit, Kandi­daten für die Gemeinderatswahlen im Wallis zu finden. Eine Partei hat sogar eine An­­zeige in einer Zeitung geschaltet und den Inte­ressenten eine 15 % bezahlte Arbeits­zeit versprochen! An­­dererseits ha­­ben die Walliser Gemeinden, die um die Erneue­rung ihrer Gemein­de­behörden be­­sorgt sind, im ganzen Kan­ton eine Rekru­tie­rungskampagne mit dem Titel «Sitz dich ein!» gestartet.

Foto: Flickr, Pxhere, Pixabay

Die Zivilisation der Freizeit
Wie ist es dazu gekommen? Liegt die Ant­wort nicht im Aufkommen der sogenannten Konsumgesellschaft? Das neueste Auto, das neueste Smartphone, das
neueste Parfüm einer grossen Marke, die neueste Jacke aus der angesagten Bou­tique – die Konsumgesellschaft hat seit Jahrzehnten unsere Hütten erobert. Un­­sere moderne Gesellschaft scheint sich in diesem ungezügelten Drang zu pro­­duzieren und zu konsumieren, zu erfüllen, und das zum angeblichen Glück aller!
Hinzu kommt die Entstehung einer weiteren Gesellschaft, der Unterhaltungs­ge­sell­­schaft. Es ist schwierig, all die Frei­zeitmöglichkeiten zu überblicken, die von den Tourismus-, Kultur- und Sportämtern jede Woche mit Blick auf das Wochen­ende angeboten werden. Man erstickt in der Fülle von Veranstaltungen aller Art, die dazu einladen, das Wohlbefinden und das Vergnügen eines jeden Einzelnen zu fördern. «Trag Sorge zu dir!» Dieser mo­­derne Ausdruck, der in Fernsehsen­dun­gen und -reportagen immer wieder verwendet wird, zeigt, dass wir uns immer weiter vom christlichen Ideal entfernen, das darin besteht, sein Leben zu geben, damit andere Menschen leben können.
Was schliesslich unsere Kirche betrifft, die auf dem Weg ist, eine Rentnerkirche zu werden, ist es wichtig zu betonen, dass wenn sich die Welt ändert, sich auch die Kirche ändert. Junge Christen ziehen ein Engagement vor, das dem Bild eines Fotoblitzes gleicht. Sie sind da­­mit einverstanden, sich zu Millionen bei den Weltjugendtagen (WJT) zu versammeln, aber sie werden sich dennoch nicht in einem Pfarreirat engagieren, der eine lang­­fristige Mitarbeit erfordert.
Die Zukunft gehört Gott und es könnte gut sein, dass diejenigen, die von dieser Freizeitzivilisation erstickt werden, entdecken, dass Geben mehr Freude bereitet als Nehmen; dass Grosszügigkeit und Selbst­hingabe Werte sind, die einen er­­füllen und glücklich machen, andere und sich selbst.
Calixte Dubosson

 

Hunger frisst Zukunft!


Die Fastenzeit lädt zum notwendigen Umdenken auf


Unter diesem Motto starten Fastenaktion und HEKS mit der diesjährigen Öku­me­­nischen Kampagne zur Fastenzeit einen neuen Drei-Jahres-Zyklus zum Thema Hunger bekämpfen. Im ersten Jahr zeigen diese beiden Organisationen auf, dass weltweit genügend Kalorien produziert würden, um alle Menschen satt zu machen. Trotzdem leidet jeder zehnte Mensch an Hunger und jeder dritte Mensch ist unterernährt.

Foto: Fastenaktion

Hunger frisst Zukunft

Die Fastenzeitlädt zum notwendigen Umdenken auf

Foto: Fastenaktion

Unter diesem Motto starten Fastenaktion und HEKS mit der diesjährigen Öku­me­­nischen Kampagne zur Fastenzeit einen neuen Drei-Jahres-Zyklus zum Thema Hunger bekämpfen. Im ersten Jahr zeigen diese beiden Organisationen auf, dass weltweit genügend Kalorien produziert würden, um alle Menschen satt zu machen. Trotzdem leidet jeder zehnte Mensch an Hunger und jeder dritte Mensch ist unterernährt.
Alle 13 Sekunden stirbt auf der Welt ein Kind an den Folgen von Hunger. Aber auch die Erwachsenen leiden. Weltweit hungerten im Jahr 2023 rund 733 Mil­lionen Menschen; 2,8 Milliarden – also jeder dritte Mensch auf dieser Welt – konnten sich 2022 keine gesunde Er­­nährung leisten. 

Hunger hat Folgen
Gerade bei Kindern, schwangeren und stillenden Frauen können Hungerzeiten zu langfristigen Beeinträchtigungen führen. Blutarmut oder einseitige Ernährung führen zu verringerter Leistungsfähigkeit, geistigen und körperlichen Entwick­lungs­­verzögerungen, Konzen­trations­ver­lust, Schwächung des Immunsystems, zur Häu­fung von Infektionskrankheiten bis hin zu Erkrankungen mit tödlichem Ver­­lauf. 
Dass rund ein Drittel der Weltbevöl­­ke­rung chronisch zu wenig Nahrung hat oder sich nur qualitativ minderwertig er­­nähren kann, ist eine Folge von globaler Ungleichheit, Armut, Diskriminierung und der zunehmenden Machtkonzentration von Agrarkonzernen. So formulierte es der Uno-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Michael Fakhri, in einem Bericht Ende 2022. Denn eigentlich werden weltweit genügend Nah­­rungs­­mittel produziert, um alle Men­schen dieser Erde ausreichend und ge­­sund zu ernähren. Hunger ist also kein Produktions-, sondern ein Verteil­prob­lem. Dieses hängt mit der globalen in­­dustriellen Land­wirtschaft zusammen, die auf Profit­ma­ximierung ausgerichtet ist. Daraus ergibt sich ein Ernährungs­system, das sich nicht an der Erfüllung des Rechts auf Nahrung orientiert.

Notwendiges Umdenken
So sind viele Menschen im Globalen Sü­­den zu häufig gezwungen, sich einseitig nur von Weizen, Reis, Mais oder hochverarbeitetem billigem Fast Food zu er­­nähren, mit dem die Nahrungs­mittel­kon­zerne dank billiger Massenproduktion weit höhere Gewinne erzielen können als mit gesunden Frischprodukten. Dadurch fehlen diesen Menschen überlebenswichtige Nährstoffe – mit verheerenden Folgen für ihre Gesundheit. Könnte es sein, dass diese Situation mit Egoismus, Habgier und Privilegien zu tun hat?
Einige grosse Konzerne verdienen Geld wie Heu. Der weltweite Agrarhandel wird zu 90 Prozent von nur fünf Unternehmen kontrolliert. Ähnlich ist die Lage bei den hochverarbeiteten Lebensmitteln: Acht Firmen kontrollieren 53 Prozent des Mark­­­­tes, allen voran Nestlé aus der Schweiz. Über unser Land laufen 60 Prozent des weltweiten Getreidehandels. Mangel- und Unterernährung hängen aber auch mit der Erschwinglichkeit von Lebens­mitteln zu­­sam­men. 84 Prozent der afrikanischen Be­­­völkerung südlich der Sa­­hara (875 Mil­­lionen Menschen) können sich keine gesunde Nahrung leisten. Das Gleiche gilt für 71 Prozent der Bevöl­ke­rung Südasiens (aber nur für 1,6 Prozent in Europa).
Wie also lässt sich diese Situation verbessern? Punktuelle Hilfe in Hunger­kri­sen ist notwendig, aber sie löst die Ur­­sachen des chronischen Hungers nicht. Stattdessen braucht die Welt ein Um­­denken, hin zu einem neuen Land­wirt­schafts- und Ernährungssystem – eines, das nicht vom Profit einzelner Konzerne angetrieben wird, sondern auf das Recht der Menschen auf genügend ausgewogene und kulturell angepasste Nahrung fokussiert ist und die lokale Wirt­schaft und Bevölkerung stärkt. Der nachhaltige Ansatz, den Fastenaktion und HEKS in ihren Projekten verfolgen, ist eine kleinräumige Landwirtschaft auf der Basis von agrarökologischen Prin­zi­pien, die Bio­­diversität fördert und an lokale Ge­­gebenheiten angepasst ist. Parallel dazu braucht es eine Förderung der bäuerlichen Rechte auf Nahrung, Land, Saat­­gut, Wasser, Biodiversität so­­wie Mit­spra­­­che der kleinbäuerlichen Be­­völ­ke­­rung bei allen für sie relevanten po­­­­­li­ti­schen Prozessen und Abkommen.

Unser tägliches Brot
Wir alle kennen das Gebet, das Jesus uns zu beten gelehrt hat: Das Vaterunser. Es ist heute so aktuell wie zu seiner Entstehungszeit. Es zeigt, dass Gott für gesunde Nahrung sorgt, und der Mensch als Geschöpf die Aufgabe hat, sie zu erzeugen, zu erwerben und als Gabe zu verteilen.
Die bolivianische Theologin Heydi T. Ga­­larza Mendoza, hat zur ersten Bitte des Vaterunsers die einzelnen Worte ge­nauer angeschaut und interpretiert.

Unser…
Die Urtexte der Evangelien von Matthäus und Lukas weisen darauf hin, dass das Brot (die Speise), um das sie bitten, demj­enigen gehört, der die Bitte äussert: «unser Brot». In modernen Begriffen könn­­ten wir sagen: «Es ist ein Recht». Wenn es ihnen gehört, warum müssen sie dann darum bitten?
Wenn man dieses erste Wort so interpre­tiert, dass man um das bitten muss, was einem bereits gehört, dann bedeutet das, dass es einem weggenommen wur­de. Das, was «unser» ist, das Minimum an lebenswichtiger Nahrung, gehört uns nicht mehr.
Wo Armut herrscht, insbesondere wenn diese durch ungerechte Ursachen wie Kriege, Invasionen, Vertreibungen und heut­zutage durch die Klimakrise verursacht wurde, kommt es vor, dass Be­­völ­kerungsgruppen dessen beraubt werden, «was ihnen gehört». Das ist eine der schlimm­sten Formen von Unge­rech­tig­keit, denn wem «Nahrung und Was­ser» vorenthalten wird, dem wird das Le­­ben verweigert.

Jesus lebte in einem Gebiet, in dem die Nahrungsmittelproduktion stark vom Kli­ma abhing. So wie es Regen gab, gab es auch Winde, die Dürren verursachen konnten. Zu dieser Abhängigkeit von der Natur kam noch die Unterwerfung durch das damalige Imperium, das keine Skru­pel hatte, die Produktion der Provinzen in die zentralen Städte zu holen, so dass der Bevölkerung kaum Mittel zum Über­leben blieben. Hier wird deutlich, dass Jesus, wenn er um «unser Brot» bittet, dies nicht metaphorisch tut, sondern im Rahmen eines lebenswichtigen Gebets.

Brot …
Im biblischen Kontext bezieht sich der Ausdruck Brot auf Lebensmittel im All­­gemeinen, aber auch auf das, was täglich aus Weizen oder Gerste hergestellt wurde. Gerstenmehl wurde in Israel/Palästina am häufigsten verwendet. In der Bibel wird es oft erwähnt, im Jo­­han­nesevangelium zum Beispiel lesen wir: «Hier ist ein kleiner Junge, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische» (Joh 6,9). Wir wissen, was Jesus mit diesen Le­­bens­­mitteln gemacht hat: Das Brot, solidarisch geteilt, konnte mehr als 5000 Menschen sättigen.
So ist das gebrochene und geteilte Brot ein grundlegendes Element innerhalb der jüdisch-christlichen Tradition. Es betont, dass der zerbrechliche Zustand eines jeden Menschen gestärkt wird, wenn das Leben geteilt wird: Wenn du «den Hung­rigen stärkst und den Gebeugten satt machst, dann geht im Dunkel dein Licht auf und deine Finsternis wird hell wie der Mittag» (Jes 58,10). Deshalb ist die Er­­­fahrung des Essens von grundlegender Bedeutung, insbesondere das Essen in Gemein­schaft.
Zweifellos bringt Brot, beziehungsweise das Essen, Menschen zusammen und ist oft ein guter Vorwand, um einander nä­­herzukommen, sich gegenseitig kennenzulernen, einander zuzuhören, einander zu verstehen. Und wenn das Brot fehlt, ist einer der Gründe «die Versteinerung unserer Herzen, die die Solidarität vergessen haben» (Vandana Shiva). So kann man Gefahr laufen, um «unser Brot» zu bitten und zu vergessen, dass jemand an­­ders kein Brot hat.

Gib uns …
Wenn in diesem Gebet eines heraussticht, dann ist es, dass die Bitte nicht individuell formuliert ist. Die Bitte ist kollektiv, das «Wir» zählt. Denn wenn ich etwas habe und die anderen nicht, dann fehlt uns das Gemeinsame, das für die Aufrechterhaltung der Gerechtigkeit, für die Pflege und Regeneration des Lebens in ausgewogener Weise unerlässlich ist. 
Andererseits ist «gib» ein sehr wichtiges Verb in diesem Satz. Im Lukasevangelium steht es im Imperativ Präsens, der eine fortwährende Handlung einfordert, die nicht enden soll: dass es heute, morgen und übermorgen nicht an Brot mangelt.
In vielen Gegenden der Erde ist es un­­verständlich, dass ein Mensch nicht für jeden Tag etwas zu essen hat, denn wie es in Kohelet 9,7 heisst, essen die Men­schen freudig ihr Brot und trinken vergnügt ihren Wein. In anderen Teilen der Welt ist es jedoch fast alltäglich, dass Menschen keinen Zugang zu ihrem «täglichen Brot», ihrem täglichen Lebens­un­ter­halt, haben. Ein Beispiel dafür sind die Millionen von Menschen, die derzeit zur Migration gezwungen sind, unter an­­derem wegen Nahrungsmittelknappheit. In Bolivien sind Tausende von Vene­zo­laner:innen seit mehreren Jahren auf der Flucht, mit Geschichten, die sich wiederholen: «In Venezuela habe ich in einer Pizzeria gearbeitet. Ich habe nicht viel verdient und habe aufgehört zu essen, um meinen Töchtern Essen zu bringen. Jetzt, wo ich mein Land verlassen habe, muss ich auf der Strasse schlafen […], ich muss Hunger ertragen, Hunger tut weh.»
Das Gebet «Unser tägliches Brot gib uns heute» bedeutet auch, unser versteinertes Herz zu «entsteinern» und Mitgefühl für jene zu zeigen, deren «Hunger schmerzt» und die gesunden Alter­na­­tiven zum Fast Food suchen, das die Strassen und Handybildschirme überflutet. Das Herz zu «entsteinern» bedeutet, die kollektive Suche nach Ernährungs­souve­rä­nität, die das Leben und die biologische Vielfalt feiert, zu einem Lebens- und Hand­lungsprinzip zu machen. Im Wis­sen, dass es die Zeit von «Land, Wasser, Saatgut, Brot und Solidarität» ist. Das Herz zu «entsteinern» bedeutet schliesslich, für das tägliche Brot als kollektives Recht zu beten, das nicht nur bedeutet, tägliches Essen zu haben, sondern auch, dass «unser Brot» das Pro­dukt eines bewussten, aktiven Kon­sums ist und daher gerecht und fair verteilt werden muss.

Zusammengestellt von Paul Martone
Die Fotos im Dossier sind von Fastenaktion
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Für Eltern von Kleinkindern

Die Eltern als Katecheten ihrer Kinder

Foto: © Sr. Catherine

Warum musste Jesus am Kreuz sterben?

Es ist nicht einfach, Kindern erklären zu wollen, warum Jesus am Kreuz sterben musste. Eine Frage, die auch Erwachsene nur schwer beantworten können. Hatte Gott Spass daran, seinem Sohn beim Sterben am Kreuz zuzuschauen? So etwas will doch kein Vater, der auch nur einen Funken Liebe für seinen Sohn empfindet. Warum also musste Jesus am Kreuz sterben?

Bild: Aus der Kinderbibel «Gott spricht zu seinen Kindern» von KIRCHE IN NOT, Illustration: Miren Sorne.


Um das zu verstehen, müssen wir bis zum Beginn der Schöpfung zurückkehren. Gott hat alles erschaffen und hat alles den Menschen zur Verfügung gestellt, damit er es hege und pflege. Die Menschen lebten im Paradies, es gab keinen Streit und keinen Krieg und Gott war ihnen immer ganz nahe. Allmählich haben die Menschen aber zu glauben begonnen, sie wüssten alles besser als Gott, von dem sie sich keine Vorschriften mehr machen lassen wollten und den sie doch eigentlich gar nicht brauchen. Die Folge davon war, dass Streit, Neid, Mord und Totschlag ins Paradies kamen. Die Menschen trennten sich von Gott und stürzten sich selbst dadurch ins Elend. Da Gott die Menschen, die er erschaffen hatte, von Herzen liebte, versuchte er immer wieder sie zu sich zurückzuholen. Jedoch ohne Erfolg. Schliesslich entschied er sich, ein «Medikament der Unsterblichkeit» in unsere Welt des Todes einzuschleusen, um die Menschen zu retten, und das Wertvollste und Liebste, das er hatte, Jesus, seinen Sohn, in die Welt zu schicken, um das Paradies wiederherzustellen. Doch auch auf Jesus wollten die Menschen nicht hören, sondern sie töteten ihn am Kreuz. Weil die Trennung von Gott Schuld und Tod über die Menschen gebracht hatte, wollte Christus auch den letzten Schritt gehen: Er nahm die Schuld aller Menschen auf sich und starb den Tod, der aus der Trennung von Gott kommt. Gott liess das zu, weil er wusste, dass es keinen anderen Weg mehr gibt, um den Menschen zu beweisen, wie lieb er sie hat. Gott liess es aber nicht zu, dass Jesu Tod am Kreuz das Ende ist. Im Gegenteil: durch den Tod von Jesus am Kreuz hat Gott begonnen, ein neues Kapitel der Geschichte von Gott und Mensch zu schreiben, die dadurch begann, dass er Jesus vom Tod auferweckt hat. Jene, die auf den Tod Jesu getauft sind, dürfen darauf vertrauen, dass sie eines Tages auch mit Jesus auferstehen werden und mit ihm dorthin zurückkehren, wo alles begann: ins Paradies.
Paul Martone

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