Alle sind zur Heiligkeit berufen (1 Petrus 1,15-16)

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Warum sollte man Christ sein, wenn nicht, um den Geist zu empfangen.

«Seid heilig, denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig». Dieser Aufruf im Herzen des Buches Levitikus (19,2), dem alttestamentlichen Heiligkeitskodex, wird vom ersten Petrusbrief (1,16) aufgegriffen, der sich damit an die Neugetauften wendet. Tatsächlich besteht dieser Brief zu einem grossen Teil aus einer Taufpredigt (1 Petrus 1,13 -4,11). Er richtet sich an Christen, die der Ver­fol­gung ausgesetzt sind. Er erinnert sie an ihre immense Würde: Durch die Taufe ha­­ben sie Anteil am «königlichen Pries­tertum Chris­ti», sie sind Mitglieder des «auserwählten Ge­­schlechts», sie gehören zum «heiligen Stamm», um der Welt, die in Finsternis ver­sunken ist, das Lob des Herrn des Lichts zu verkünden (1 Petrus 2,9).

So werden sie aufgefordert, «in ihrer ganzen Lebensführung heilig zu werden nach dem Beispiel des Heiligen, der sie berufen hat» (1 Petrus 1,15). Indem sie jeden Menschen, selbst ihre Feinde, lieben, ahmen Christen den Vater nach, unterscheiden sich von den Heiden und werden zu Kindern Gottes (Matthäus 5,43-48).

Wie lässt sich eine solche Herausfor­de­rung verwirklichen? Woher die Kraft nehmen, «vollkommen zu werden, wie der himmlische Vater vollkommen ist» (Mat­thäus 5,48)? Das Neue Testament kehrt die Perspektive um. Nicht durch unsere «Anstrengungen» und «Verdienste» können wir heilig werden, sondern durch die Annahme der Gnade des Geistes, die uns seit unserer Taufe geschenkt ist. Weil wir «gezeugt werden durch den unvergänglichen Samen: aus Gottes Wort, das lebt und das bleibt» (1 Petrus 1,23), werden wir fähig, Gott nachzuahmen. Und durch diesen Ge­­horsam gelingt es uns, «uns nicht den Begierden hinzugeben, wie früher in un­­serer Unwissenheit» (1 Petrus 1,14).

Dieser universelle Aufruf zur Heiligkeit durch das Geschenk der Gnade ist si­­cherlich eines der zentralen Elemente des Zweiten Vatikanischen Konzils. Er steht im Mittelpunkt von «Lumen gentium», dem grossen Text über die Kirche (in Kapitel 5, Nr. 39 -42). Warum sollte man Christ sein, wenn nicht, um den Heiligen Geist zu empfangen, seine Heiligkeit nach­zuahmen und an seiner göttlichen Natur teilzuhaben? Der Herr ist heilig, d. h. abgeschnitten, getrennt von Hass, Gewalt und Ungerechtigkeit. Er sondert seine Heiligen, uns alle, ab, damit Liebe, Frieden und Gerechtigkeit zu den Grund­sätzen unseres Handelns werden. Das letzte Konzil ist ein eminent biblisches und «mystisches» Konzil: Es will die persönliche und gemeinschaftliche Bezie–hung zu Christus fördern.

 François Xavier Amherdt

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