«Darauf öffnete er ihren Sinn für das Verständnis der Schriften» Lk­ 24,45

«Darauf öffnete er ihren Sinn für das Verständnis der Schriften» Lk­ 24,45

Der neue Sonntag des Wortes Gottes am 3. Sonntag im Jahreskreis (erstmals: 26. Januar 2020)

Papst Franziskus hat einen «Sonntag des Wortes Gottes» für die ganze Kirche ein­ geführt, der erstmals am 26. Januar 2020 gefeiert wird:
Die Bibel soll mehr Stellenwert in der Kir­che bekommen! Wir informieren in einem Dossier, das von der Bibelpastoralen Ar beitsstelle des Schweizerischen Katholi­schen Bibelwerks erarbeitet wurde, über die Hintergründe und die Möglichkeiten, den Sonntag zu feiern.

Die Bibel an der Gemeinde­versammlung?
Stellen­ Sie­ sich­ vor,­ Sie­ gehen­ zur­ nächs­ten­ Gemeindeversammlung­ an­ Ihrem­ Wohn­ort.­ Doch­ dann­ wird­ nicht­ über­ das­ nächs­te­ Bud­get,­ die­ neue­ Kindert­ages­stätte­ oder­ über­ den­ Sozialdienst­ disku­tiert, ­sond­ern ­aus ­einem ­alten ­Buch ­vor­gelesen:­ Es­ handelt­ von­ Mose­ und­ der­ Befreiung­ aus­ Ägypt­en,­ vom­ Gott­ Israels­ und­ der­ Offen­barung­ am­ Sinai.­ Wie­ wür­den­ Sie­ wohl­ reagieren?­ Was­ haben­ die­ alten­ Geschich­ten ­mit ­unserer­ Gegen­wart­ von­ heute­ zu ­tun?
So­ ähnlich­ erzählt­ es­ das­ 8. ­Kapitel­ des­ Nehemia-­Buches­ im­ Alten­ Testament:­ Vor­ 2­500­ Jahren­ –­ einige­ Menschen­ waren­
schon­ länger­ aus­ dem­ babylonischen­ Exil­ zurückgekehrt,­ und­ der­ Jerusalemer­ Tem­pel­ wied­er aufgebaut­ –­ habe­ sich­ die­ Be­völ­kerung­ Jerusalems­ am­ «Platz­ vor­ dem­ Wassertor» ­versammelt.­ Dort­ sei­ das­ Buch­ der­ Weisung­ vorgelesen­ worden:­ die­ fünf­ Bücher­ Mose­ (von­ Genesis­ bis­ Deuterono­mium).­ Stundenlang ­hätten ­die ­Menschen­ zugehört:­ Männer,­ Frauen­ (ausdrücklich­ genannt!)­ und­ «alle,­ die­ es ­verstehen ­konn­ten (Nehemia ­8,­3).
Die­ Menschen,­ so­ wird­ erzählt,­ seien­ tief­ berührt­ gewesen:­ Sie­ sahen­ ihre­ persönli­chen Erfahrungen­ zwischen ­Exil ­und ­Rück­kehr­ plötzlich ­in ­der ­alten ­Geschichte­ vom­ Auszug­ aus­ Ägypten­ ins­ «Gelobte­ Land»­ widergespiegelt.­ So­ wird­ ihnen­ die­ Bibel­ zum­ Gegenüber,­ lässt­ sie­ ihr­ Leben­ neu­ verstehen ­und ­gibt­ ihnen­ Orien­tie­rung.
Mit­ dieser­ Erzählung­ aus­ dem­ Nehemia­-Buch­ erläutert­ Papst­ Franziskus,­ was­ er­ sich vom ­neu­eingeführten ­«Sonntag ­des­ Wortes­ Gottes»­ erhofft:­ Die Bibel «kann nicht nur einigen wenigen gehören, ge­schweige denn eine Sammlung von Büchern für wenige Auserwühlte sein. Sie gehört vor allem dem Volk, das versam­melt ist, um sie zu hören und sich in die­sem Wort selbst zu erkennen»­ (Nr.­4­ des­ Papstschreibens).

Dem ­soll­ der­ neue ­Bibelsonntag­ ­genauer:­ der­ «Sonntag­ des­ Wortes­ Gottes»­ –­ je­weils­ am­ 3.­ Sonntag­ im­ Jahreskreis­ die­nen.­ Bei­ der­ Begegnung­ mit­ der­ Bibel­ ge­be­ es,­ wie­ der­ Papst­ mit­ einem­ Gebet­ des­ Hl.­ Ephräm­ schreibt,­ «ebenso viele Möglichkeiten, dein Wort zu deuten, wie Menschen, die es studieren»­ (Nr.­1).­ Für­ den­ Bibelsonntag­ ist­ also­ nicht­ ExpertIn­nen­-Wissen­ gefragt,­ sondern ­viele­ einzel­ne­ Menschen,­ die­ sich­ auf­ eine­ neue­ Be­gegnung­ mit­ der­ Schrift­ einlassen­ und­ dabei­ auch­ von­ Christus,­ dem­ Aufer­weckten,­ berührt­ werden:­ «Er öffnete ihren Sinn für das Verständnis der Schrif­ten»,­ heisst­ es­ in­ der­ Erzählung­ von­ den­ Emmaus-­Jüngern­ am­ Ostermorgen­ (Lu­kase­vangelium,­ Kap.­24).­ Diese­ Erzäh­lung­ ist­ der­ zweite­ Bibeltext,­ den­Papst ­Fran­ziskus­ in­ seinem­ Schreiben­ ausführlich­ auslegt.­ So ­soll ­auch ­der­ Bibels­onn­tag­ die­ Augen­ öffnen­ für­ das­ tiefe,­ erfüllte­ Leben, ­das­ allen ­Menschen­ zukommt,­ für­ gute­ Beziehungen­ untereinander,­ für­ Frieden ­und ­Gerechtigkeit.

Bibellesen und der Heilige Geist
Beim­ Bibellesen­ ist­ der­ Heilige­ Geist­ zen­tral,­ so­ der­ Papst­ –­ und­ zwar­ in­ jedem­ Menschen­ und­ ganz­ besonders,­ um­ zu­ einer­ aufgeschlossenen,­ weltzugewand­ten Lektüre ­zu­ finden: ­«Ohne sein Wirken gäbe es immer die Gefahr, im bloss geschriebenen Text eingeschlossen zu blei­ben. Das führt leicht zu einer fundamentalistischen Auslegung, von der man sich fernhalten muss, um den inspirierten, dynamischen und spirituellen Charakter des biblischen Textes nicht zu verraten.»­ (Nr.­9) ­Der­Heilige­Geist­ «ist auch in denen am Werk, die auf das Wort Gottes hören» (Nr.­10).

Warum (jetzt) ein neuer Bibelsonntag?
«Schon ­wieder ­ein ­neuer­ Themen­sonnt­ag?­ Ist­ nicht­ schon­ jeder­ Sonntag­ ein­ Bibelsonntag?»­ So­ lauten­ manche­ Ein­wände­ gegen­ den­ Sonntag­ des­ Wortes­ Gottes­ (und andere­ «Themensonntage» ­im­ Laufe­ des­ Kirchenjahres).­ Diese­ Anfragen­ sind­ berechtigt.­ Trotzdem:­ Was­ nicht­ beson­ders­ gewürdigt­ wird,­ geht­ im­ Alltag­ zu­ schnell­ unter.­ Es­ lohnt­ sich,­ der­ Bibel­ be­sondere­ Aufmerksamkeit­ zu­ schenken.­ Vie­le­ Länder­ und­ Bischofsk­onferenzen,­ viele­ Bibelwerke­ (auch­ wir)­ und­ viele­ «bibelverliebte»­ Einzelper­son­en­ haben­ sich­ deshalb­ seit­ Jahrzehnten­ für­ einen­ Bibelsonntag­ eingesetzt.­ Jetzt­ kann­ die­ Chance­ beim­ Schopf­ gepackt­ werden:­ Die­ lebendige,­ wertschätzende­ Begegnung­ mit­ der­ Bibel­ soll­ nicht­ «einmal im Jahr»­ stattfinden, ­sondern­ einmal ­für­ das ­ganz­e­ Jahr,­ wie­ Papst­ Franziskus­ schreibt­ (Nr.­8).­ Konkreter­ Anlass ­war­ eine ­Bitte ­der­ Ka­tholischen­ Bibelföde­ration ­KBF,­ des­ Dach­verbandes­ kath.­ Bibelwerke,­ für­ ein­ Bibeljahr ­2019/20.­ Dieses ­Bibeljahr ­hat ­der­ Papst­ nun­ nicht­ ausgerufen­ –­ doch­ dafür­ den­ lang­ ersehnten­ Bibelsonntag­ eingeführt.Der Bibelsonntag, die Ökumene und der christlich-­jüdische Dialog
Papst­ Franziskus­ hat­ den­ «Sonntag­ des­ Wortes­ Gottes»­ auf­ den­ 3.­ Sonntag­ im­ Jahreskreis­ gelegt­ (Ende­ Januar)­ –­ eine­ Zeit­ vieler­ Initiativen­ für­ Bibel,­ Ökumene­ und­ jüdisch-­christliche­ Begegnung.­ Vie­lerorts­ werden­ im­ Januar­ bereits­ ökume­nische­ Bibelwochen­ veranstaltet.­ Am­ 27.­ Januar,­ dem­ Jahrestag­ der­ Befreiung­ des­ Konzentrationslagers­ Auschwitz,­ wird­ der­ Internationale­ Gedenktag­ für­ die­ Op­fer ­der­ Shoah­ (Holocaust)­ begangen.­ Und­ in ­der­ Schweiz­ wird­ der­ zweite ­Fasten­sonntag­ seit­ 2011­ auch­ als­ «Tag­ des­ Judentums»­ gefeiert.­ Diese­ und­ weitere­ wichtige­ Ini­tiativen sollen ­vom ­neuen­ Bibelsonntag­ nicht­ konkurrenziert­ werden ­–­ im­ Gegen­teil:­ Der­ Papst­ hält­ ausdrücklich ­fest: «Dieser Sonntag des Wortes Gottes fällt so ganz passend in den Zeitabschnitt des Jahres, in dem wir unsere Beziehungen zu den Juden zu festigen und fär die Ein­heit der Christen zu beten eingeladen sind. Es handelt sich dabei nicht um ein bloss zeitliches Zusammentreffen: Die Feier des Sonntags des Wortes Gottes ist von ökumenischer Bedeutung, denn die Heilige Schrift zeigt denen, die auf sie hören, den Weg, der beschritten werden muss, um zu einer authentischen und so­liden Einheit zu gelangen.» ­(Nr.­3)

Auf­ der­ Homepage­ des­ Bibelwerkes­ wer­den­ auch­ Unterlagen­ zur­ ökumenischen­ Feier­ des­ Bibelsonntags­ zur­ Verfügung­ gestellt,­ damit­ der­ neue­ Bibelsonntag­ bestehende­ Feiern­ vertiefen­ kann­ und­ nich t­konkurrenziert.

Wie den Bibelsonntag feiern?
Es­ gibt­ viele­ Möglichkeiten,­ den­ Bibel­sonn­t­ag ­zu­ feiern­ – ­in­ Bibelgruppen,­ als­ Einzelne­ und­ natürlich­ als­ Pfarrei­ im­ Sonntagsgottesdienst,­ ob­ als­ Wort­-Got­tes-­Feier­ oder­ in­ der­ Eucharistie.­ Dabei­ muss­ das­ Rad­ nicht­ neu­ erfunden­ wer­den.­ Viele­ Ideen­ stehen­ schon­ auf­ den­ Webseiten­ des­ Bibelwerks­ (www.bibel­ werk.ch)­ und­ des­ Liturgischen­ Instituts­ (www.liturgie.ch)­ zur­ Verfügung.­ Für­ den­ Bibelsonntag­ werden­ wir­ sie­ fortlaufend­ ergänzen.­ Konkrete Anregungen und Mo­delle für Gruppen, Einzelne und Gottes­dienste werden ab 15. Januar zur Verfügung stehen:
➢­ Bereiten­ Sie­ sich­ auf­ die­ Bibeltexte­ des­ Bibelsonntags­ vor:­ Lesetipps­ und­ Bibelarbeits-Unterlagen ­helfen ­Ihnen,­ als­ (Bibel-­)Gruppe­ oder­ auch­ als­ Ein­zelne­ mit­ den­ Lesungen­ und­ dem­ Evan­gelium­ des­ Bibelsonntags­ ver­traut ­zu ­werden.
➢­ Bereiten­ Sie­ in­ einer­ Gruppe­ und­ mit­ dem­ Seelsorgeteam/dem­ Pfarrer­ den­ Bibelsonntags-­Gottesdienst­ in­ Ihrer­ Pfar­rei ­vor:­ Einfache­ Formen ­wie ­eine­ Evangeliumsprozession,­ besonders­ ge­staltete­ Lesungen,­ Lieder­ usw.­ hel­fen­ dabei,­ dass­ die­ Bibel­ in­ diesem­ Gottesdienst­ zum­ besonderen ­Er­leb­nis ­wird.
➢­ Vertiefen­ Sie­ ökumenische­ Verbun­denheit: ­Feiern ­Sie ­den­ Bibelsonntag­ in­ einem ökumenischen ­Gottesdienst!­ Auch­ dafür­ stellen­ wir­ Anregungen­ und ­Unterlagen­ zur­ Verfügung.
➢­ Das­ Schreiben­ des­ Papstes­ im­ Original­ enthält­ ebenfalls­ Anregungen­ zur­ Ges­talt­ung.­ Wir­ haben­ es­ auf­ unserer­ Web­seite­ www.bibelwerk.ch­ verlinkt.
➢­ Bleiben­ Sie­ dran:­ Für­ die­ Fastenzeit­ bieten­ wir­ zahlreiche­ Unterlagen­ an,­ die­ sich ­für das ­Bibellesen ­in­ Gruppen­ und­ alleine­ eignen.­ Besonders­ emp­fehlen­ wir­ «Lectio­ Divina»,­ eine­ Me­thode,­ die­ Austausch­ und­ Informatio­nen­ zum­ Text­ mit­ spiritueller­ Vertiefung­ verbindet.

Katholisches Bibeljahr 2019/20
Ein­ «richtiges»­ Bibeljahr­ in­ der­ Schweiz­ muss­ ökumenisch­ sein­ –­ davon­ sind­ wir­ im­ Schweizerischen­ Katholischen­ Bibel­werk­ überzeugt.­ Deshalb­ haben­ wir­ zu­rückhaltend­ auf­ die­ Initiative­ zu­ einem­ internationalen­ katholischen­ Bibeljahr­ reagiert,­ die­ die­ Kath.­ Bibelföderation­ lanciert­ hat.­ Wir­ empfehlen­ für­ dieses­ Jahr­ aber­ besondere­ Begegnungen­ mit­ der­ Bibel­ nach ­der­ «Lectio­ divina»­-Metho­de,­ die­ Austausch­ und­ Informationen­ zum­ Text­ mit­ spiritueller­ Vertiefung­ ver­bindet.

Hl. Hieronymus (347–420 n. Chr.)
Papst­ Franziskus­ hat­ das­ Schreiben­ zur­ Einführung­ des­ Bibelsonntags­ am­ Ge­denktag­ des­ Hl.­ Hieronymus­ veröffent­licht .­Hieronymus ­ist­ DER­ Bibelübers­et­zer­ der­ Antike:­ Er­ stammte­ aus­ dem­ heu­tigen­ Kroatien­ und­ studierte­ in­ Mailand,­ Rom ­und­ Trier,­ bevor ­er­ 373­ erstmals ­nach­ Syrien­ aufbrach.­ Dort­ lernte­ er­ Griechisch­ und­ Hebräisch­ und­ lebte­ zeitweilig­ als­ Ein­siedler.­ Von­ 386­ bis­ zu­ seinem­ Tod­ am­ 30.­ September­ 420­ lebte­ er­ in­ Betlehem/ Palästina. ­Während ­dieser ­Zeit­ schrieb­ er­ Kom­men­tare­ zu­ biblischen­ Büchern­ und­ über­s­etzt­e ­die­ ganze­ Bibel­ aus­ dem­ Heb­räischen­ und­ Griechischen­ in­ die­ neue­ Weltspra­che,­ das­ Lateinische:­ die­ soge­nannte­ «Vulgata»­ (die­ «gebräuchliche»­ Bibelausg­abe).­ Hieronymus­ gilt­ deshalb­ als ­Patron ­von ÜbersetzerInnen ­und ­TheologInnen­ –­ und­ wird­ gegen­ Augen­leiden­ angerufen­…

Der Bibelsonntag: Ein Fest …
In ­der­ Erzählung­ im­ Nehemia-­Buch­ heisst­ es,­ die­ Leute­ seien­ bei­ der­ Verlesung­ der­ Tora­ so­ berührt­ gewesen,­ dass­ sie­ sogar­ geweint­ hätten.­ Darauf­ hätten­ die­ Ver­antwortlichen gesagt:­ «Nun geht, haltet ein festliches Mahl und trinkt süssen Wein! Schickt auch denen etwas, die selbst nichts haben; denn heute ist ein heiliger Tag zur Ehre unseres Herrn. Macht euch keine Sorgen!»­ (Nehemia­ 8,­10)­ Das­ ist­ ein­ wunderbares­ Motto­ auch­ für­ den­ Bibelsonntag: ­Wenn­ nur­ schon ­ein ­wenig­ von­ dieser­ Festfreude­ am­ Bibelsonntag­ erfahrbar­ wird,­ hat­ er­ sich­ schon­ gelohnt!
Detlef ­Hecking
                 Bibelpastorale­ Arbeitsstelle­
                 des­ Schweizerischen­ Kath.­Bibelwerks

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