
Christus hat zwei Tage gewartet, bevor er seinen kranken Freund besuchte
Sicherlich ist das Vorgehen Jesu angesichts des Todes von Lazarus kein Modell, das man für die Trauerbegleitung einfach eins zu eins übernehmen könnte. So wartet der Rabbi beispielsweise zwei Tage, bevor er seinen kranken Freund besucht (V. 6), nachdem dessen zwei Schwestern Christus rufen liessen und ihn anflehten, an das Krankenbett ihres Bruders zu kommen (V. 3). Ausserdem erklärt Jesus den Aposteln, dass er froh sei, nicht dabei gewesen zu sein, als Lazarus starb: Es sei zu ihrem Heil, damit sie zum Glauben kommen, fügt er hinzu (V. 15). Denn aus seiner Sicht sind die Krankheit und der Tod dazu bestimmt, «die Verherrlichung des Vaters und seines Sohnes»
(V. 4) zu offenbaren. Der Tod ist nicht das Ende von allem, sondern nur ein Schlaf, aus dem uns Christus erwecken wird, so wie er es mit dem Bruder von Martha und Maria getan hat (V. 11).
Dennoch: Diejenigen, die mit trauernden Familien unterwegs sind, sind aufgerufen, in allen Phasen der Trauer, vor, während und nach dem Tod, Gesten und Worte der Auferstehung zu setzen:
– eine echte Nähe zu den Angehörigen und der Familie inmitten von Weinen und Traurigkeit (V. 17);
– ein aufmerksames und diskretes Anhören des Leidens und der Erwartungen, trotz möglicher Vorwürfe (Vv. 21.32);
– ein Wunsch zu trösten, im ursprünglichen Sinn des lateinischen cum-solus, nicht allein lassen (V. 28);
– eine Fähigkeit, sich einzufühlen, sich im Innersten berühren zu lassen und mit den Weinenden zu weinen als Zeichen der Unterstützung und wahren Zuneigung (V. 33.35);
– konkrete Zeichen körperlicher und spiritueller Nähe (Vv. 38–39);
– ein Zeugnis der Hoffnung durch wahre, starke und einfühlsame Worte, die in der «Ich-Form» ausgedrückt werden und Horizonte der Solidarität und des Lichts eröffnen (Vv. 23.25.26.39.40.42–43).
Wir haben nicht die vom Vater an den Sohn übergebene Macht, durch den heiligen Geist die Toten auferstehen zu lassen. Dennoch können die Menschlichkeit und die spirituelle Tiefe unserer Haltungen und Äusserungen den Trauernden eine wirksame Hilfe sein. Ihre Rückmeldungen am Lebensende, im Moment des Todes, beim Treffen mit der Familie, bei der Totenwache, der Feier und der Beerdigung, in den Wochen, Monaten und Jahren danach, bestätigen uns dies. Immer dann, wenn wir in demjenigen handeln und sprechen, der die Auferstehung ist (V. 25).
François Xavier Amherdt