2024 – Jahr des Gebets

Das Gebet – das Atmen der Seele

Foto: © Poss

Alle 25 Jahre feiert die katholische Kirche ein Heiliges Jahr. Der Rhyth­mus von 25 Jahren besteht seit 1470. Zwischendurch gibt es hin und wieder ein ausserordentliches Heiliges Jahr. Das nächste reguläre findet 2025 statt – und soll die Armen und Geflüchteten in den Blick nehmen. Das exakte Datum für die Eröffnung im Dezember 2024 steht noch nicht fest. Es wird mit einer sogenannten Päpstlichen Bulle am kommenden 9. Mai bekannt gegeben.

Pilger der Hoffnung 
Papst Franziskus schreibt zum Heiligen Jahr, dass die Coronapandemie uns die Vergänglichkeit der Existenz vor Augen geführt und auch unsere Lebensweise verändert hat, die auch die Christen getroffen hat. «Unsere Kirchen blieben geschlossen, ebenso wie Schulen, Fab­ri­ken, Büros, Geschäfte und Freizeitein­richtungen. Wir alle haben erlebt, dass einige Freiheiten eingeschränkt wurden», was neben dem Schmerz manchmal auch Zweifel, Angst und Verwirrung in den Herzen geweckt habe. Zahlreiche Diskussionen über Sinn oder Unsinn der Schutzmassnahmen und Impfungen wur­­den geführt, oft in einer Art und Weise, die zu einer Spaltung in Familien und Gemeinden geführt hat. «Das bevorstehende Jubiläum kann viel dazu beitragen, ein Klima der Hoffnung und des Ver­­trauens wiederherzustellen, als Zeichen eines neuen Aufbruchs, dessen Dring­lich­keit wir alle spüren. Aus diesem Grund habe ich das Motto “Pilger der Hoffnung” gewählt», so Papst Franziskus. Diese Hoff­­nung können wir jedoch nur ermöglichen, «wenn wir unsere Augen nicht vor dem Drama der grassierenden Armut verschliessen, die Millionen von Män­nern, Frauen, Jugendlichen und Kindern an einem menschenwürdigen Leben hindert. Ich denke besonders an die vielen Flüchtlinge, die gezwungen sind, ihr Land zu verlassen. Mögen die Stimmen der Armen in dieser Zeit der Vorbereitung auf das Jubiläum gehört werden.»

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Neben der spirituellen Dimension soll das Heilige Jahr aber auch dazu beitragen, dass wir Menschen als die «Pilger auf der Erde» auf diesem Weg die Schön­heit der Schöpfung bewundern und uns um unser gemeinsames Zuhause kümmern. «Ich hoffe, dass auch das naheliegende Jubiläu­msjahr in diesem Sinne ge­­­feiert und gelebt wird. Tatsächlich er­­kennen immer mehr Menschen, darunter viele Jugendliche und junge Menschen, dass die Sorge um die Schöpfung ein wesentlicher Ausdruck des Glaubens an Gott und des Gehorsams gegenüber sei­­nem Willen ist», so der Papst.

«Symphonie» von Gebeten 
Es ist der Wunsch des Papstes, dass «das Heilige Jahr mit tiefem Glauben, lebendiger Hoffnung und aktiver Nächs­ten­liebe vorbereitet und begangen werden kann». Daher ruft der Heilige Vater das dem Jubiläum vorausgehende Jahr 2024 zum Jahr des Gebets aus, das «einer grossen “Symphonie” von Ge­­be­ten gewidmet» sein soll. «Vor allem, um die Sehnsucht wiederzufinden, in der Gegenwart des Herrn zu verbleiben, ihm zuzuhören und ihn anzubeten; Gebet, um Gott für die vielen Gaben seiner Lie­be zu uns zu danken und sein Werk in der Schöpfung zu preisen, das jeden zu Achtung und konkretem und verantwortungsvollem Handeln zu ihrer Bewahrung verpflichtet… Kurzum, ein intensives Jahr des Gebets, in dem sich die Herzen öffnen sollen, um die Fülle der Gnade zu empfangen und das “Vater unser”, das Gebet, das Jesus uns gelehrt hat, zum Lebensprogramm all seiner Jüngerinnen und Jünger zu machen.» gv
Zur Vorbereitung des Jubiläums sind die Diözesen aufgefordert, die zentrale Be­­deutung des persönlichen und gemeinschaftlichen Gebets zu fördern. Zu diesem Zweck könnten «Gebetswallfahrten» auf das Heilige Jahr hin vorgeschlagen werden, also Wege der Schule des Ge­­bets mit monatlichen oder wöchentlichen Etappen, die von den Bischöfen ge­­­leitet werden und an denen das gesamte Volk Gottes teilhaben kann. 

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Das Vaterunser
Beten kann man auf ganz verschiedene Art. Es gibt das Gebet in der Gemein­schaft der Gottesdienste, es gibt das Gebet in der Familie, es gibt das stille persönliche Gebet jedes Einzelnen, es gibt das Wallfahren, also das «Gebet mit den Füssen», es gibt das Rosen­kranz­gebet, die Meditation und noch unzählige weitere Formen. Entscheidend ist nicht die Art und Weise, wie jemand betet, wichtig ist, dass er und sie regelmässig betet. Wer betet, sieht weiter, er lebt nicht mehr aus sich, für sich und aus seiner eigenen Kraft, sondern er vertraut sich mehr und mehr Gott an. Die Heilige Mutter Teresa sagte einmal: «Weil ich mich nicht auf mich selber verlassen kann, verlasse ich mich auf Gott, 24 Stun­­den am Tag.»

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Zum christlichen Leben gehört das «Be­­mühen um das tägliche Gebet. Beten kann man allerdings nicht lernen, wie man eine Technik lernt. Beten ist, so merk­würdig es klingt, ein Geschenk, das man durch Beten erhält» (youcat, Nr. 469). Das Neue Testament berichtet, dass die Jünger Jesus um Rat gefragt haben, wie sie in rechter Weise beten sollten. Jesus beantwortet ihre Bitte mit dem Vater­unser. Deshalb ist das Vaterunser das wichtigste christliche Gebet, das wir jeden Tag beten sollten.

Unkompliziertes Beten
Beim Beten können wir nichts falsch machen! Um mit Gott zu reden, der ja unser «Abba», unser «Papa» ist, können wir reden «wie uns der Schnabel ge­­wach­sen ist». Wir müssen nicht lange studieren, ob und mit welchen Worten wir unsere Anliegen vor ihn tragen dürfen. 
Ein befreundeter Priester erzählte einmal, wie er zur Vorbereitung seiner Sonn­­tags­predigt, die vom Verhältnis der Men­schen zu Gott handle, am Meeresstrand spazieren ging, um Ideen zu sammeln: «Und dann ging vor mir ein Vater mit sei­­nem kleinen Sohn an der Hand. Plötz­lich blieb der Kleine stehen, schaute sei­nen Vater an und sagte: “Papa, Arme!” Und mit einem Griff hat ihn der Vater auf sei­ne Schultern gehoben und hat ihn nach Hause getragen. Der Kleine hat nur so gestrahlt, als er beim Papa oben auf den Schultern sass. Da ist mir hinterher aufgegangen: Wie sind wir bei unserem Be­­ten zu unserem Vater im Himmel manchmal kompliziert». Der kleine Jun­ge sagte einfach in dieser Situation: «Papa, Arme!». Wenn wir doch lernen könnten, einfach so unkompliziert zu beten wie dieser kleine Junge.

Beten mit der Bibel
Die Bibel, besonders die Psalmen im Al­­ten Testament zeigen, wie unter­schied­lich die Menschen gebetet haben. Je nach ihrer Situation jubelten und tanzten sie, oder sie klagten, weinten und fluchten. Das zeigt, dass ihr Leben in ihre Gebete eingeflossen ist. Hören wir auf die Erfahrungen, die diese Menschen mit ihrem Beten gemacht haben, denn Be­­ten kann auch «Hören» bedeuten! Hören auf das, was Gott uns sagen will, und oft redet Gott auch durch Menschen zu uns. Um dies zu hören, braucht es aber Zeiten der Stille, der Betrachtung, der Ruhe. Haben vielleicht manche Men­­schen heute deswegen Mühe mit dem Beten, weil dieses nichts mit ihrem konkreten Alltag mit seinen Fragen, Sorgen und Zweifeln zu tun hat? Haben viele Menschen vielleicht deshalb Mühe mit dem Beten, weil ihre Ohren bildlich oder real verstopft sind? Mutter Teresa hat einmal gesagt: «Gott spricht in der Stille unseres Her­zens und wir hören zu. Und dann – aus der Fülle unseres Herzens – antworten wir. Das ist Gebet.»

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Geduld ist gefragt
Wenn wir die Heilige Schrift lesen, können wir manchmal den Eindruck gewinnen: «Das ist genau meine Situation!» und von den Erzählungen in der Bibel können wir auch lernen, dass es beim Beten oft sehr viel Geduld braucht, bis Gott uns erhört. 
Vieles, das uns beschäftigt, hält uns vom Beten ab. Aber je mehr wir beschäftigt sind, umso mehr sollten wir beten, denn ohne das Gebet reisst der Faden, der uns mit Gott verbindet, und wir stürzen in die einsame Gottlosigkeit hinab. Für das Gebet müssen wir nicht viele Worte machen und «plappern wie die Heiden», denn ob ein Gebet «gut» oder «schlecht» ist, hängt nicht von der Anzahl Worte ab, die wir dafür verwenden. Oft ist ein ehrlicher Seufzer oder ein Stossgebet mehr wert als stundenlanges Geplapper, das nicht von Herzen kommt.
Auf die Klage der französischen Schrift­stellerin Anna de Noailles, sie höre die Stimme Gottes nicht, antwortete ihr einmal ein Bekannter: «Kein Wunder, Ma­dame, Sie reden ja die ganze Zeit!»
Vom heiligen Pfarrer von Ars ist folgender Ausspruch überliefert: «Wer wenig betet, gleicht den Hühnern, die grosse Flü­­gel haben und mit ihnen nichts Rech­tes anfangen können. Wer innig und aus­­dauernd betet, wird einer Schwalbe ähn­lich, die sich vom Wind tragen lässt.»
Und wie gesagt: Habt keine Angst, dass Ihr beim Beten etwas falsch macht. Denkt an den Knaben am Meeresstrand: «Papa, Arme!»

Paul Martone

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