Maria hat sich dafür entschieden, Christus zuzuhören und sich dem Herrn zu Füssen zu setzen, um uns anzuzeigen, was er für uns wünscht, und so unsere Berufung zu verwirklichen.
Es gibt keinen treffenderen Kommentar zu der Episode von Marta und Maria (Lukas 10, 38-42) als das klösterliche Motto, das allen Regeln des religiösen und geweihten Lebens zugrunde liegt:
«Ora et labora», bete und arbeite.
In der Hingabe
Handeln und Andacht stehen nicht im Gegensatz zueinander, sondern ergänzen sich und gehören zusammen; beide erweisen sich als gleichermassen notwendig, sowohl in apostolischen oder Klausurgemeinschaften wie auch in jeder Existenz als Getaufte. Die Bedingung ist, dass sie beide in der Hingabe an den Willen des Herrn gelebt werden. Dies ist der «beste Teil», den Maria gewählt hat: Wir müssen Christus zuhören, dem Meister zu Füssen liegen, um uns dem anzugleichen, was er für uns wünscht, und so unsere Berufung zu verwirklichen (V. 39).
Der barmherzige Samariter
Dass das Gebet den Dienst an den Brüdern und Schwestern nicht ausschliesst, beweist die Tatsache, dass die Begegnung Jesu mit den beiden Schwestern im dritten Evangelium unmittelbar auf das Gleichnis vom barmherzigen Samariter folgt (10, 29 -37). Der Anteil, den Gott für uns bestimmt hat, der Gehorsam, den er von uns verlangt (vom lateinischen ob-audire, was aufmerksames Zuhören bedeutet), besteht in der Barmherzigkeit durch Taten an den Leidenden wie die Meditation des Wortes und das stille Gebet. Das eine schliesst das andere nicht aus. Das eine ruft das andere hervor.
Im Frieden des Herzens
Übrigens: Was Jesus Marta vorwirft, ist nicht, dass sie ihre Hausarbeit erledigt, sondern dass sie sich «um vieles sorgt» und «sich über vieles aufregt» (V. 41). Wir könnten uns noch so sehr um den nächsten Tag sorgen und uns in alle Richtungen bewegen, wir wären nicht in der Lage, die Dauer unseres Lebens auch nur um einen einzigen Tag zu verlängern, und wir würden das Wesentliche verpassen: das Königreich Christi und seine Gerechtigkeit (vgl. Matthäus 6, 25 -34).
Zeugen
Acht Stunden Arbeit, acht Stunden Schlaf, acht Stunden Lobpreis: So ist die Tageseinteilung in einem kontemplativen Kloster. Die Ordensleute geben sich mit Leib, Seele und Geist ganz dem Herrn hin, um zu bezeugen, dass er allein genügt. Sie bezeugen mit ihrem ganzen Sein, was für jede/n Getaufte/n gilt: Gott allein kann unsere Herzen voll und ganz erfüllen, bei der Arbeit wie im Gebet.
François Xavier Amherdt / Image: DR