Ein Sakrament der Hoffnung,
der Stärkung und der Heilung
Seit etwas mehr als 35 Jahren bin ich Priester und in dieser Zeit habe ich ungezählten Frauen und Männern das Sakrament der Krankensalbung gespendet. Es ist das Sakrament der Stärkung, der Hoffnung und der Heilung. Gott verspricht in diesem Sakrament, dass er fühlbar auf unserem Lebensweg mitgeht, auch dann, wenn wir krank, alt und gebrechlich sind. Ja, der Herr, der um das Leiden weiss, weil er selber furchtbar gelitten hat, will den Kranken vielleicht sogar in dramatischer Weise ganz nahe sein und sie aufrichten.
Negative Gefühle
Leider ist dieses schöne Zeichen der göttlichen Nähe mit zahlreichen negativen Gefühlen, ja sogar mit Ängsten belastet. Viele Menschen betrachten diese Salbung als Zeichen des Lebensendes, das so lange hinausgezögert wird, bis wirklich «das letzte Stündlein geschlagen hat». Der Priester, der zu den Kranken kommt, um ihnen dieses Sakrament zu spenden, wird dann als Bote des Todes angesehen, der noch schnell kommt, um die «letzte Ölung» wie die Krankensalbung im Volk hiess, zu spenden. Und wehe, der Patient stirbt dann nicht, denn, so war es bei vielen Menschen weit verbreitet, habe man den immer beschäftigten Priester für nichts bemüht.
Eine betagte Frau telefoniert ihrer Tochter: «Stell dir vor, heute war der Pfarrer bei mir und wollte mir die Krankensalbung geben. Bin ich wirklich schon so krank, dass es zu Ende geht?» (Esther Z.)
Dabei tritt mit dem Priester Jesus selbst an das Bett des Kranken, um ihm Trost, Frieden und Kraft zu schenken, manche Kranke erhalten dadurch neuen Lebensmut und werden sogar geheilt. Deshalb ist es falsch, wenn man den Priester für eine Krankensalbung erst dann ruft, wenn nichts mehr zu machen ist und der kranke Mensch bereits in den letzten Zügen liegt. Vielmehr ist es gut und sinnvoll die Krankensalbung zu spenden, wenn der Patient noch bei Bewusstsein ist. Es ist dabei egal, ob man alt oder jung ist. Auch in schlimmen seelischen Nöten oder vor einer Operation kann ein Mensch die Krankensalbung empfangen. Das Alter spielt bei der Krankensalbung keine Rolle. Selbstverständlich können auch junge Menschen und auch Kinder die Krankensalbung empfangen.
«Ich hatte grosse Angst vor der Krankensalbung, da ich doch nicht sterben wollte. Doch als ich dann dazu Ja sagen konnte, blickte ich zuversichtlich auf das, was vor mir liegt ist.» (Linda R.)
Im Gegensatz zur Taufe oder der Firmung ist die Krankensalbung ein Sakrament, das so oft empfangen werden kann, wie ein Mensch sie braucht.
Bei der Krankensalbung spricht der Priester: «Der Herr, der dich von Sünden befreit, rette dich, in seiner Gnade richte er dich auf.» P. Karl Wallner hat recht, wenn er schreibt: «Das Sakrament bewirkt also das “Aufrichten” und oft kann man es erleben, dass jemand nach der Krankensalbung auch körperlich wieder gesund wird. Jesus lässt uns auch dann nicht allein, wenn wir krank und verzagt sind. Gerade dann möchte er ganz bei uns sein! Wie das Öl unter den Gebeten des Priesters in die Haut des Kranken “einzieht”, so zieht die Kraft Gottes in die Seele ein. Der Kranke kann erfahren, dass Gott ihn liebt, dass er ihm die Gesundheit des Lebens schenken möchte, und sogar noch mehr: die ewige Herrlichkeit des Himmels.»
«Nachdem mir der Pfarrer im Spital die Kranken-salbung gespendet hat, ist es mit meiner Gesundheit wieder aufwärts gegangen, so dass ich eine Woche später wieder nach Hause gehen konnte». (Franz H.)
Ich habe immer wieder erlebt, dass vor der Spendung der Krankensalbung die Besucher oder auch die Familienangehörigen das Zimmer verlassen. Manche wollen nicht stören, manche fürchten sich vielleicht auch, an ihre eigene Vergänglichkeit erinnert zu werden. Dabei brauchen Menschen, die krank sind, gerade in einer solchen Situation menschliche Gemeinschaft und ein wirksames Zeichen göttlichen Segenszuspruchs, die die Krankensalbung schenken kann. Die Feier der Krankensalbung soll deshalb, wenn immer möglich, in Gemeinschaft stattfinden. Das kann die Gemeinschaft der Familie und Freunde um das Krankenbett sein, das kann aber auch die gemeinsame Feier der Krankensalbung bei einer Wallfahrt oder in der Pfarrei sein, etwa im Rahmen des Krankensonntags, der in der Schweiz jedes Jahr im März gefeiert wird. Diese Gemeinschaft kommt auch darin zum Ausdruck, dass das Öl, das bei einer Krankensalbung verwendet wird, jedes Jahr in der Chrisammesse am Gründonnerstag (oder an einem anderen geeigneten Tag der Fastenzeit) vom Bischof geweiht wird. Anschliessend wird dieses Öl in die verschiedenen Pfarreien gebracht. Dadurch kommt zum Ausdruck, dass wir alle in gesunden aber auch in kranken Tagen zu einer grossen Gemeinschaft gehören, die sich Kirche nennt. Ausserdem kommt in der Weihe der Öle vor Ostern zum Ausdruck, dass die Sakramente Anteil an Christus schenken, der lebt und nicht mehr sterben wird. Was immer im Verlauf der Krankheit noch passieren wird, diesen Anteil am Leben kann keine Krankheit auslöschen.
«Ich bin immer dankbar, wenn ich einem Menschen die Krankensalbung spenden darf, denn sie ist für mich der letzte Liebesdienst, den ich einer Person tun kann.» (Pfarrer Robert Z.)
Sterbesakrament
Die Krankensalbung darf nicht mit dem Sterbesakrament verwechselt werden. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wird die Wegzehrung als das eigentliche Sterbesakrament bezeichnet. Dabei empfängt der Sterbende zum letzten Mal die heilige Kommunion, die auch eine Kommunionhelferin oder ein Kommunionhelfer spenden kann. Die Kommunion ist dann die Wegzehrung, für den Übergang vom Leben durch den Tod ins ewige Leben -eventuell in Verbindung mit der persönlichen Beichte. Die Krankensalbung schliesst auch die Sündenvergebung ein, damit keine Schuld die Kranken von Gott trenne. Deshalb ist sie dem geweihten Priester reserviert. Als Sakrament der befreienden Zusage Gottes kann die Krankensalbung auch an Bewusstlose erteilt werden. Angehörige oder das Klinikpersonal sollen jedoch dafür sorgen, dass es erst nicht so weit kommt, sondern dass der Kranke das Sakrament bei Bewusstsein empfangen und es somit persönlich bejahen kann.
«Nachdem ich die Krankensalbung empfangen hatte, erfüllte mich eine grosse innere Ruhe und Zuversicht, denn ich wusste nun, dass Jesus auch im Operationssaal bei mir ist.» (Melanie A.)
Hie und da wird der Priester auch gerufen, einem Menschen, der gerade gestorben ist, noch die Krankensalbung zu spenden. Dies ist nicht möglich, denn wir sehen die Krankensalbung als Zeichen des Lebens. Sie soll helfen und stärken und steht für die Nähe Gottes. Es ist nicht sinnvoll darum zu beten, dass ein Verstorbener aufgerichtet wird, damit er sich wieder seinen Aufgaben widmen kann. Gerade auch deshalb ist es wichtig, rechtzeitig einen Priester zu rufen. Auch wenn jemand krank im Spital liegt, kann man den Krankenseelsorger und die Krankenseelsorgerin bitten, einen Priester für die Krankensalbung zu holen.
Ablauf der Krankensalbung
Die Spendung des Sakramentes besteht aus drei Teilen: der Eröffnung, dem Wortgottesdienst und der Feier der Salbung. Nach der Begrüssung spricht der Priester das Eröffnungsgebet. Es folgt die Beichte oder das Schuldbekenntnis. Im anschliessenden Wortgottesdienst wird ein Text aus dem Evangelium vorgelesen und so ausgelegt, dass der Kranke sich angesprochen fühlt. Nach den Fürbitten legt der Priester dem Kranken die Hände auf. Diese stille Handauflegung ist eine alte Gebetsgebärde. Sie drückt die Bitte um das Vertrauen aus, der Heilige Geist möge auf einen Menschen herabkommen und ihm seine Kraft einhauchen.
Die wohltuende, heilsame und pflegende Wirkung von Öl ist bekannt. Schon allein deshalb ist die Salbung mit Öl ein deutliches Zeichen, das vom heilsamen Wirken Gottes spricht.
Das Gebet zur Weihe des Krankenöls
zeigt sehr schön,
wie das Sakrament der Krankensalbung
verstanden werden soll:
«Herr und Gott, du Vater allen Trostes.
Du hast deinen Sohn gesandt,
den Kranken in ihren Leiden
Heilung zu bringen.
So bitten wir dich:
Erhöre unser gläubiges Gebet.
Sende deinen Heiligen Geist
vom Himmel her
auf dieses Salböl herab.
Als Gabe deiner Schöpfung
stärkt und belebt es den Leib.
Durch deinen Segen
werde das geweihte Öl
für alle, die wir damit salben,
ein heiliges Zeichen deines Erbarmens,
das Krankheit,
Schmerz und Bedrängnis vertreibt,
heilsam für den Leib, für Seele und Geist.»
Bei der Salbung der Stirn des Kranken spricht der Priester folgendes Gebet: «Durch diese heilige Salbung helfe dir der Herr in seinem reichen Erbarmen, er stehe dir bei mit der Kraft des Heiligen Geistes.»
Bei der Salbung der Handinnenflächen betet er: «Der Herr, der dich von Sünden befreit, rette dich, in seiner Gnade richte er dich auf.»
Paul Martone
Schon in der Antike diente Öl als Nahrung, Medizin und Kosmetikum. Es gehört neben Brot, Wein und Wasser zu den Grundsubstanzen der christlichen Liturgie. Salbungen mit Öl sind bereits in biblischer Zeit bezeugt. Auch heute noch finden Salbungen bei der Spendung einiger Sakramente und Sakramentalien der Kirche statt. Die Gläubigen sollen durch die Salbung, insbesondere mit Chrisam (Myron), daran erinnert werden, dass sie zu Christus gehören, der gesalbt ist zum König und Propheten. Messias beziehungsweise Christus bedeutet der Gesalbte.
Gewöhnlich in den Kathedralkirchen werden jedes Jahr am Gründonnerstag (oder einem ihm vorausgehenden, osternahen Tag) in der Chrisammesse die heiligen Öle gesegnet, der Chrisma geweiht. Die Öle werden hierfür in grosse Kannen gefüllt. Wo Tücher zum Schmuck oder zur Verhüllung benutzt werden, sind sie traditionell in den Farben weiss (Chrisam), grün (Katechumenenöl) und violett (Krankenöl) gehalten. Nach der Feier werden die Öle an die Kirchen in der Diözese verteilt.
Die Öle werden für den liturgischen Gebrauch meist in kleinere Gefässe umgefüllt. Je nach Verwendung variieren diese Ölgefässe in Grösse und Ausführung. Echtes Silber, versilbertes Messing oder Kupfer, aber auch Zinn kommen zur Anwendung. Oft haben die Ölgefässe einen Deckel mit Schraubgewinde, um das Auslaufen der dünnflüssigen Öle zu verhindern. In manchen Kirchen werden die heiligen Öle in einem Schrein in der Nähe des Taufbrunnens aufbewahrt, häufiger aber in der Sakristei. Reste der heiligen Öle des vergangenen Jahres können in der Osternacht im Osterfeuer verbrannt oder ins Sakrarium gegossen werden.