Weltgebetstag für die Bewahrung der Schöpfung, 1. September
«Lasst uns mit der Hilfe und der Gnade Gottes einen Lebensstil annehmen, der durch weniger Abfall und weniger unnötigen Konsum gekennzeichnet ist»
Bartholomäus, Patriarch von Konstantinopel
«Uns läuft die Zeit davon!»
Wer kennt sie nicht? Die Frauen und Männer, die ihre Hände auf die Strassen kleben, um durch diese spektakulären Aktionen als letzte Generation auf eine ihrer Meinung nach verfehlte Klimapolitik aufmerksam zu machen. «Letzte Generation» nennen sie sich, weil sie glauben, tatsächlich die letzten zu sein, die einen Klimakollaps verhindern können. Man kann von den Aktionen der «Klimakleber» halten, was man will, sicher ist jedoch, dass sie ein voller Erfolg sind, was die öffentliche Aufmerksamkeit anbelangt. Ob diese Art des Protestes im letzten nicht kontraproduktiv ist, steht auf einem anderen Blatt.
Das Herz ändern
Sicher gehört der Schutz von Natur, Umwelt und menschlichem Leben zum Auftrag, den Gott schon dem ersten Menschenpaar im Garten Eden aufgetragen hat, als er Adam und Eva befahl, die Erde nicht nur zu bebauen, sondern sie zu behüten. Leider haben die Menschen aus der Schöpfungsgeschichte einen Herrschaftsauftrag für sich gelesen, der die Natur instrumentalisierte. Sie vergassen, dass sie diese nur als Lehen erhalten haben, zu dem sie Sorge zu tragen haben und für das sie dem Schöpfer gegenüber Rechenschaft ablegen müssen. «Wenn der Mensch nicht seine Rolle als Mitarbeiter Gottes erfüllt, sondern die Stelle Gottes einnehmen will, ruft er dadurch schliesslich die Auflehnung der Natur hervor, die von ihm mehr tyrannisiert als verwaltet wird», betonte Papst Benedikt XVI. Deshalb sollte der Schutz der Umwelt eigentlich in der DNA der Menschheit eingeschrieben sein. Umweltschutz beschränkt sich jedoch nicht auf das saubere Wasser, die reine Luft und tiergerechte Stallungen, sondern auch auf das menschliche Leben. Deshalb muss im Engagement für ihre Bewahrung auch die Überwindung der weiterhin grassierenden Armut und sozialen Ungleichheit mitgedacht werden. Papst Franziskus schreibt, dass wir dafür zuerst unser Herz ändern müssen: «Das ist wesentlich für jede weitere Veränderung. Es ist jene «ökologische Umkehr», zu der uns der heilige Johannes Paul II. ermutigt hat: Die Erneuerung unserer Beziehung zur Schöpfung, so dass wir sie nicht mehr als ein Objekt ansehen, das man ausbeutet, sondern sie als heiliges Geschenk unseres Schöpfers bewahren. Darüber hinaus sollten wir begreifen, dass ein ganzheitlicher Ansatz eine vierfache ökologische Achtsamkeit erfordert: gegenüber Gott, gegenüber unseren Brüdern und Schwestern von heute und morgen, gegenüber der gesamten Natur und gegenüber uns selbst».
Übernächstenliebe
Auch die Kirche kann sich von diesem Auftrag nicht dispensieren. Vielmehr hat sie die Verantwortung, ihre eigene Praxis auf allen Ebenen, angefangen beim Gebäudemanagement bis hin zur Liturgie, nachhaltig zu gestalten. Darüber hinaus muss sie sich für die Benachteiligten einsetzen – insbesondere für diejenigen, die heute oder in Zukunft unter den Folgen des Klimawandels und der Armutskrise leiden. Dies gilt auch für die kommenden Generationen. Papst Franziskus hat durch seine Enzyklika «Laudato si» wichtige Impulse gegeben.
Im Blick auf die Klimaveränderung und der damit steigenden Temperaturen und dem weltweiten Wassermangel bleibt der Menschheit nicht mehr allzu viel Zeit, um das Steuer herumzureissen. Leider fehlt es vielen Politikern und Staatslenker jedoch am Willen für eine nachhaltige Richtungsänderung, denn zahlreiche finanzielle und politische Interessen stehen einem seriösen und wirkungsvollen Klimaschutz im Wege. Bereits Papst Benedikt XVI. kritisierte, dass die globalen Probleme ihre Ursache in der «Verweigerung vieler hätten, verantwortungsbewusst mit der Natur umzugehen». Dabei kritisierte er sowohl fehlenden politischen Weitblick als auch kurzsichtige Wirtschaftsinteressen.
Diese kurzsichtige Politik, die unsere Gesellschaften bestimmt und das Leben der jungen Menschen von heute und morgen prägt, muss sich ändern. Hier könnte die Kirche eine führende Rolle übernehmen, wie der deutsche Mediziner und TV-Moderator Eckart von Hirschhausen in einem Gastbeitrag für die Juni-Ausgabe des evangelischen Monatsmagazin «chrismon» forderte: «Während der Zeithorizont von Politikern oft nicht ausreicht, um auf den ersten Blick unpopuläre Entscheidungen voranzubringen, könnten es sich die Kirchen in der Gewissheit ihres Auftrags und ihrer Geschichte leisten, jetzt in Vorleistung zu gehen». Die Kirchen seien dafür geschaffen, an der Spitze der Bewegung zu stehen. Hirschhausen verwies in seinem Beitrag auch auf das Gebot der Nächstenliebe, das den Kern des Christentums bildet. Vielleicht sei ein neues Wort dafür nötig. Sein Vorschlag: «Übernächstenliebe!» Das könne man zeitlich und räumlich verstehen: «Unser Nächster, unsere Nächste, kann also auch 5 000 Kilometer weit weg sein oder 50 Jahre.»
Lebensstil ändern
Es genügt nicht, sich auf die Autobahn oder das Rollfeld eines Flugplatzes zu kleben! Es braucht vielmehr eine Änderung unseres ganzen Lebensstils. Das beginnt in «einer dankbaren Bewunderung des Schöpfers und seiner Schöpfung», wie es der ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomäus, ausgedrückt hat, die auch ein Bereuen unserer «ökologischen Sünden», die der Natur und den Menschen schaden, beinhaltet. «Lasst uns mit der Hilfe und der Gnade Gottes einen Lebensstil annehmen, der durch weniger Abfall und weniger unnötigen Konsum gekennzeichnet ist, insbesondere dort, wo die Produktionsprozesse giftig und nicht nachhaltig sind. Versuchen wir so gut wie möglich auf unsere Gewohnheiten und wirtschaftlichen Entscheidungen zu achten, damit es allen besser geht – unseren Mitmenschen, wo immer sie auch sein mögen, und auch den künftigen Generationen. Lasst uns durch positive Entscheidungen an Gottes fortwährender Schöpfung mitwirken: indem wir Ressourcen möglichst massvoll und mit heiterer Nüchternheit nutzen, Abfälle entsorgen und recyceln und stärker verfügbare Produkte und Dienstleistungen nutzen, die ökologisch und sozial verantwortbar sind» (Papst Franziskus). All das genügt aber noch nicht. Eine Leitfrage sollte immer sein, ob Handlungen «enkeltauglich» seien: «Auch unsere Enkel sind Kinder Gottes.»
Integrale Ökologie
Es braucht zusätzlich eine «integrale Ökologie», die Naturschutz und Lebensschutz verbindet. Diese «integrale Ökologie» soll die Menschheit nicht nur vor der Zerstörung der Natur, sondern auch vor der Zerstörung ihrer selbst bewahren. Eine «integrale Ökologie» umfasst nicht nur den Schutz der Natur, sondern auch die Achtung der Mitmenschen als von Gott geschaffene Personen und alles, was daraus folge. Mit dieser Forderung geht Papst Franziskus weiter als alle Klimaschützer, denn er wendet sich auch gegen Abtreibung, Euthanasie und Todesstrafe: «Wenn Du glaubst, dass Abtreibung, Euthanasie und die Todesstrafe akzeptabel sind, dann wird es für Dein Herz schwer sein, sich der Verschmutzung der Flüsse und der Zerstörung des Regenwaldes anzunehmen», schreibt der Papst wörtlich. Es sei nicht konsequent, Abtreibungen zu rechtfertigen und sich gleichzeitig gegen die Ausbreitung der Wüsten einzusetzen. Ebenso falsch sei es, die Euthanasie abzulehnen, aber die Verschmutzung der Flüsse als notwendigen Preis für den ökonomischen Fortschritt zu bezeichnen. Im Gegensatz zu zahlreichen Umweltschützerinnen und -schützer, die sich gerne auf den Papst berufen, ist für Franziskus «Abtreibung eine schwerwiegende Ungerechtigkeit», zu der er nicht schweigen könne.
Sicher ist der Klimaschutz auch für die Kirche wichtig, doch darf diese nicht den Eindruck vermitteln, als sei der Klimaschutz ihr zentrales Anliegen und nicht das ewige Heil bei Gott. Eine solche Kirche gibt sich auf! «Christliche Verantwortung für Umwelt- und Klimaschutz ist getragen vom Auftrag Gottes, die Welt zu gestalten und zu bewahren. Das allerdings im Vertrauen darauf, dass es Gott selbst ist, der die Welt in Händen hält. Ora et labora, bete und arbeite – diese alte Einsicht der Benediktiner gilt daher auch für Fragen des Klimaschutzes», sagte Hans-Joachim Vieweger in seinem Wort zum Sonntag, am 28. April 2023, auf «Bayern2». Vielleicht wären die «Klimakleber» gut beraten, sich nicht auf dem Boden festzukleben, sondern «Klimaknier» zu werden, die in den Gotteshäusern auf ihren Knien Gott für seine Schöpfung loben. Das beste Lob ist, die Natur und alle Lebewesen als Geschöpfe zu schützen und auch die Menschen als gleichwertige Kinder Gottes zu respektieren. Immer im Bewusstsein, dass letztlich Gott der Schöpfer und Erhalter der Welt ist. Wer ihn lobt und in seiner Schöpfung zu erkennen sucht, der hat begriffen, was ganzheitliche Ökologie ist.
Paul Martone