Für welche Welt wollen wir verantwortlich sein?
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Obwohl die gesamte Menschheit davon bedroht ist, betrifft der Klimawandel und dessen Auswirkungen gewisse Bevölkerungsgruppen mehr als andere. Gemeinschaften in armen Ländern sind am verletzlichsten und tragen die Hauptlast. Ihre Lebensgrundlagen sind durch klimabedingte Naturkatastrophen gefährdet, deren Ursache vor allem in der Übernutzung und Verschwendung von Ressourcen durch und für die Reichen und Konsumorientierten liegt. Der Umgang mit den jüngsten Naturkatastrophen hat diese Ungerechtigkeit nur noch deutlicher gemacht: Die Monsunregen in Südostasien und die Dürre in Afrika fordern jedes Jahr mehr Opfer, während die reichen Länder – wenn auch nicht von Naturkatastrophen verschont – immer besser gerüstet sind, um diese zu bewältigen.
Dieses Ungleichgewicht zeigt sich nicht nur bei den allgemeinen Auswirkungen des Klimawandels auf den Lebensstandard der Bevölkerung, sondern auch beim Bewusstsein für diese Situation. Dieses ist in armen wie reichen Ländern zwar hoch, jedoch haben in armen Ländern nur die wenigsten die Wahl oder die Mittel, etwas zu ändern.
Der Klimawandel gehört zu den grössten Herausforderungen, mit denen die Welt heute konfrontiert ist, und ist unbestreitbar auf menschliches Handeln zurückzuführen. Wir alle sind dafür verantwortlich, da wir auf irgendeine Weise, in unterschiedlichem Ausmass dazu beigetragen haben – einige mehr, andere weniger, und darin liegt die Ungerechtigkeit.
Hauptsorge gilt dem puren Überleben
In reichen Ländern hingegen ist die Bereitschaft, aufrichtig und mit Bedacht zu handeln, gering, trotz vielen Menschen, die sich der Klimadringlichkeit bewusst sind. Es ist lobenswert, dass viele Einzelpersonen, Verbände und Unternehmen mit einem immer stärkeren Umweltbewusstsein handeln und ihre Gewohnheiten ändern. Ihre Aktionen sind jedoch nur ein Tropfen auf den heissen Stein, wenn die Entscheidungsträger/innen, vor allem die Regierungschef/innen der grossen Weltmächte, sich weiterhin hinter scheinheiligen Reden verstecken. Sie geben zwar vor, sehr besorgt über das Klimaproblem zu sein, sind aber vielmehr von den wirtschaftlichen Auswirkungen ihrer Entscheidungen motiviert als davon, was mit der Schöpfung und den künftigen Generationen geschehen wird.
Genau hier ist die Kirche aufgerufen, zu handeln, sich zu äussern und in die Bresche zu springen, um nicht zur Komplizin dieser Heuchelei zu werden. Es geht darum, für Gerechtigkeit einzustehen, einschliesslich der Klimagerechtigkeit. Letztere ist tief in einem biblischen Imperativ verankert.
Klimagerechtigkeit verlangt, dass alle Menschen – auch die heranwachsenden und zukünftigen Generationen – ein Leben in Würde führen können. Folglich müssen wir Verantwortung übernehmen und unser Konsumverhalten sowie unseren Lebensstil schöpfungsverträglich gestalten. Die christliche Spiritualität schlägt eine Vision vor, welche die Liebe Gottes als Verbindung zu allem Lebendigen betrachtet. Der Mensch wird dazu aufgerufen, jede Handlung mit dieser Haltung zu verbinden. Fastenaktion, Partner sein und HEKS weisen darauf hin, dass die Klimaerhitzung und die damit verbundene Umweltzerstörung mit dem Armutsproblem untrennbar verknüpft sind. Verantwortung übernehmen heisst, diese Verbindung ernst zu nehmen, solidarisch zu handeln und den eigenen ökologischen Fussabdruck zu reduzieren.
Als Gott dem Menschen die Pflege und Bewahrung der Schöpfung anvertraute (Gen 2,15), zielte er auf eine Symbiose und Harmonie für die gesamte Schöpfung ab, damit sie das Leben so leben konnte, wie es sein sollte. Leider hat der Mensch in dieser Hinsicht versagt, und die gesamte Schöpfung leidet darunter, sie seufzt (Röm 8, 22): Die Umwelt verschlechtert sich zusehends, und viele Menschen auf der Welt verlieren ihre Würde und ihr Recht, sogar das Grundlegendste: das Recht auf Nahrung. Aber das ist kein unabwendbares Schicksal, es ist nicht alles verloren, es gibt noch etwas zu tun. Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,1–16) erinnert uns daran. Es zeigt uns, dass es trotz allem nie zu spät ist, etwas zu tun: Der Beitrag eines jeden Arbeiters zählt in den Augen des Grundbesitzers, egal zu welcher Stunde er seinen Dienst antritt. Und für jeden Beitrag erhält jeder das, was er braucht, um im Alltag seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, um in Würde zu leben – und nicht zu überleben. Dieses Gleichnis stellt die oftmals kommerzielle und kapitalistische Logik der menschlichen Gerechtigkeit auf den Kopf. Es ist zudem eine Aufforderung, unseren Lebensstil, unser Konsumverhalten und unser Wirtschaftsmodell zu hinterfragen, die in den letzten Jahrzehnten von der Globalisierung geprägt wurden. Letztere ist nicht gänzlich zu verurteilen, denn bis zu einem gewissen Grad hat sie auch Vorteile gebracht, insbesondere in Bezug auf Technologie und Kommunikation.
Allerdings zeigt die Globalisierung auch katastrophale Auswirkungen auf die Umwelt und die soziale Gerechtigkeit: Sie hat die Umweltzerstörung verstärkt und die Kluft zwischen Arm und Reich immer weiter vergrössert. Der aktuelle globale Kontext, der von der verschärften Hungerkrise, dem Krieg in der Ukraine und der Covid-19-Pandemie geprägt ist, hat diese Kluft noch stärker hervorgehoben.
Dies erinnert uns aber auch daran, dass wir trotz unseren Mitteln, unserem Wissen und unserer Stärke nicht alles beherrschen und dass wir Fortschritte nur gemeinsam erreichen können. Im Lichte der Logik des Grundbesitzers (im Gleichnis der Arbeiter im Weinberg) ist es für uns an der Zeit, über eine inklusivere, nachhaltigere und menschlichere Lebensweise nachzudenken; nicht im Geiste des Wettbewerbs für maximales Wachstum und Profit, um diejenigen zu disqualifizieren, die nicht mit der gleichen Geschwindigkeit wie wir voranschreiten, sondern im Sinne von Gerechtigkeit, damit am Ende des Tages alle ein würdiges Leben führen können.
Agrarökologie für ein würdiges Leben
Da die Verantwortung für den Klimawandel zwar geteilt, aber unterschiedlich ist, sollte auch die Verantwortung für die Suche nach einem nachhaltigeren Lebensstil geteilt werden. Dies lässt sich gut mit Agrarökologie erreichen, die überall praktiziert werden kann. Sie ermöglicht es, lokal, vernünftig und menschlich zu handeln, und verringert gleichzeitig die globalen Umweltauswirkungen der industriellen Landwirtschaft. Die Praxis der Agrarökologie fördert die Wechselwirkungen zwischen den Pflanzen, bewahrt die Bodenfruchtbarkeit und vermeidet den Einsatz synthetischer Dünge- und Pflanzenschutzmittel, was der biologischen Vielfalt neuen Auftrieb verleiht. Dies kann als eine Rückkehr zu den Wurzeln betrachtet werden, zu den primären Aufgaben des Menschen: die Schöpfung zu pflegen und zu bewahren.
Die positiven Auswirkungen des agrarökologischen Systems sind vielseitig: Indem es langfristig Einkommen und die Nahrungsversorgung der Menschen sichert, ermöglicht es ihnen ein würdiges Leben in Harmonie mit ihrem Umfeld und ihrer Kultur, während sie gleichzeitig in eine ruhigere Zukunft blicken und Vertrauen in die kommenden Generationen haben können.
Die Zeit drängt, jede Sekunde der Zurückhaltung in Bezug auf Klimagerechtigkeit wird verheerende Auswirkungen haben auf unsere Umwelt und auf das Leben und die Würde vieler Menschen auf der Welt, insbesondere der Ärmsten. Angesichts dieser Dringlichkeit braucht die Welt von heute einen Paradigmenwechsel. Die Kirchen sowie die Christinnen und Christen sind aufgefordert, ihre Worte und Taten zu verbinden, im Hier und Jetzt des Reiches Gottes und seiner Liebe zu den Menschen und der Schöpfung
Brigitte Rabarijaona
Die reformierte Theologin und Pfarrerin aus Madagaskar lebt und arbeitet zurzeit in Nairobi. Sie ist die Koordinatorin von Tsena Malalaka (Netzwerk für afrikanische und europäische Theologinnen).
«Trotz unseren Mitteln, unserem Wissen und unserer Stärke können wir nicht alles beherrschen –
Fortschritte können wir nur gemeinsam erreichen.»