Komm, Herr Jesus! Oder vielleicht doch lieber nicht?

Adventszeit: Vorbereitung auf die Wiederkunft Christi

Karte Maria Laach

Die Adventszeit lädt ein, uns während vier Wochen auf das Fest der Geburt Jesu Christi vorzubereiten. «Der Advent ist die Zeit, in der wir uns die Nähe Gottes ins Gedächtnis rufen, der zu uns hinabgestiegen ist. Er will nahe zu uns kommen, doch er bietet sich an, er drängt sich nicht auf. An uns liegt es, darin nicht müde zu werden, ihm zu sagen: „Komm!“ Das liegt an uns, das ist das Gebet des Advents: „Komm!“», so Papst Franziskus.

Christkönig, Landshut, Zisterzienserinnenabtei Seligenthal.
Foto © Poss

«Heruntergekommener» Gott
Doch was haben wir aus diesem «Komm!» gemacht? Wir haben ja gerade vor Weihnachten keine Zeit für den, der da kommen soll, denn es gibt ja noch so viel zu tun, um uns auf das Fest des Weihnachtsmannes, bestenfalls noch des Christkindes, vorzubereiten. Schliesslich müssen noch zahlreiche Geschenke gekauft und eingepackt werden, ein Weihnachtsbaum muss auch noch her und der Braten schon mal beim Metzger bestellt werden. Dann und nur dann wird Weihnachten ein schönes Familienfest, an dem man mal wieder ohne schlechtes Gewissen schlemmen darf. Um seine zusätzlichen Rundungen kümmert man sich dann am 26. Dezember wieder.
Dabei wird allzu oft vergessen, worum, oder noch besser, um wen es an diesem Fest überhaupt geht! Es geht nicht um den «holden Knaben im lockigen Haar», der «O-Wie-Lacht», sondern um Gott, der in diesem kleinen und wehrlosen Kind heruntergekommen ist in unsere Welt und in unser persönliches Leben. Er will dieses Leben auf «gute Weide» führen, damit es ein gelungenes Leben wird, das dem Menschen, der ernstgemacht hat, mit dem, was er und sie in der Advents-zeit gesungen haben, nämlich dem Herrn der Herrlichkeit die Tür und die Tore hoch und weit gemacht haben. Mit ein bisschen Rührseligkeit am Heiligen Abend ist es daher nicht getan, denn dieses Kind ist erwachsen geworden und tritt mit einem gewaltigen Anspruch auf: «Folge mir nach!» Das sagt dieses Kind zu all jenen, die ihn in der warmen Stube im Lied «Ihr Kinderlein kommet!» als «lieblichen Knaben und himmlisches Kind» in ihren Krippen bestaunt haben. Diese Nachfolge erledigt sich nicht mit weichen Lebkuchenherzen, sondern zeigt sich oft im harten Brot des Alltags, im Wissen darum, dass dieses Kind von Bethlehem 33 Jahre später in Jerusalem als Verbrecher am Kreuz gestorben ist. Vom weihnachtlichen Lametta ist nichts mehr geblieben als ein geschundener Mensch, der angenagelt am Schandpfahl, in seinem Todeskampf an Gott gezweifelt hat, aber mit seinem letzten Atemzug dennoch sein Leben diesem Gott in seine Hände zurückgab. Wahrlich ein «heruntergekommener» Gott! Wahrlich aber auch ein Gott, der auf unserer Seite steht und auch unsere Fragen, Zweifel und Nöte kennt und versteht, da auch er durch diese Prüfungen hindurchgegangen ist. Und es ist derselbe Gott, der in Jesus Mensch geworden ist, der seinen Jüngern und Jüngerinnen versprach, eines Tages zurückzukommen und sie zu sich zu holen (vgl. Johannes 14, 3). 

Komm, Herr Jesus!
Auf diese Wiederkunft Christi haben sich die Jüngerinnen und Jünger der Urgemeinde gefreut und mit Sehnsucht darauf gewartet. Immer wieder ertönte in ihren Versammlungen der Ruf «Maranatha! – Komm, Herr Jesus!» (1 Korinther 16, 22 und Offenbarung 22, 20). Es ist dies der Ruf eines Freundes nach seiner Freundin, der innigste Wunsch der Freundin ihren Freund wiederzusehen, den sie nach langer Zeit der Abwesenheit und der grossen Entfernung so gerne wieder in die Arme schliessen möchte. Wer schon einmal eine tiefe Sehnsucht nach einem Menschen in seinem Herzen hatte, kann nachvollziehen, wie die Christen der Urgemeinde diesen Jesus Christus, ihren Freund und Meister, erwarteten. Die ersten Christen erwarteten diese Wiederkunft Christi bald einmal, ja sie gingen sogar davon aus, dass die meisten von ihnen dies noch selber erleben werden und sie freuten sich darauf. Dafür stützen sie sich auf ein Wort aus der Offenbarung des Johannes, wo zu lesen ist, dass Christus «bald» kommen werde (Offenbarung 22, 7). Als dann aber die ersten Christen starben, obwohl Jesus noch nicht wiedergekommen war, stürzte dies die Gemeinde in grosse Zweifel und brachte eine grosse Enttäuschung mit sich. Paulus musste dann in seinen Briefen an die Gemeinde in Thessaloniki viel Überzeugungsarbeit leisten und daran erinnern, dass es nicht um «Zeit und Stunde» der Wiederkunft Christi gehen könne, denn «der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht» (1 Thessalonicher, 5, 1–2). Deshalb sei es notwendig nicht zu schlafen, sondern wach und nüchtern zu sein. Paulus sagt, dass Jesus wiederkommen werde, niemand wisse aber, wann dieser Zeitpunkt komme. Es wird den ersten Christen also ein «Aufschub gewährt», was zu «den wirklich bemerkenswerten Umständen der Entstehung des Christentums gehört, dass sich seine ganze Geschichte im Prinzip einem Aufschub verdankt bzw. sich in einem Aufschub entfaltet. Die allerersten Christ*innen rechneten in grosser zeitlicher Nähe mit der Wiederkunft des auferstandenen Christus «zu richten die Lebenden und die Toten» (Christian Brouwer). 

Foto Pfarrer Daniel Noti, Leuk

Jesus, komm lieber (noch) nicht!
Und wir heute? Glauben wir denn allen Ernstes an diese Wiederkunft Christi und wollen wir sie überhaupt? Das ist eine Frage, die gerade in der Adventszeit nach einer Antwort verlangt, denn Jesus «will nahe zu uns kommen, doch er bietet sich an, er drängt sich nicht auf. An uns liegt es, darin nicht müde zu werden, ihm zu sagen: «Komm!» Das liegt an uns, das ist das Gebet des Advents: «Komm!» Jesus, so erinnert uns der Advent, ist zu uns gekommen und wird wiederkommen am Ende der Zeiten. Aber, so fragen wir uns, wozu dient dieses Kommen, wenn er nicht heute in unser Leben kommt? Laden wir ihn ein!», so Papst Franziskus. 
Manche tun sich mit dieser Einladung aber schwer, sie fürchten die Wiederkunft Christi und hoffen, dass er noch lange auf sich warten lässt. Besteht der Grund dafür vielleicht darin, dass wir in diesem wiederkommenden Christus nur mehr den Richter der Lebenden und der Toten sehen und nicht mehr den liebenden Freund? Die Entwicklung der Theologie hat aus diesem Tag der Wiederkehr mit seinem freudigen «Maranatha» leider in den vergangenen Jahrhunderten einen «Dies irae», einen Tag des Zornes gemacht, einen Tag mehr im Zeichen der Furcht und des Schreckens, denn wer kann schon vor diesem himmlischen Richter bestehen, einen Tag der Tränen und des Wehklagens, an dem wir abgeurteilt werden. Ja, auch das Neue Testament spricht davon, dass Christus als Richter wiederkommen wird, aber er kommt nicht als unbarmherziger Paragraphenreiter, da er sich doch «als Lösegeld für alle hingegeben hat» (1 Tim 2, 6). «Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird» (Joh 3, 17). Deshalb empfiehlt uns Jesus im Blick auf die Endzeit keine ängstliche Furcht, sondern: «Wenn dies beginnt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe» (Lk 21, 28). Wenn wir zu ihm aufblicken, wird «unser Gesicht leuchten und wir brauchen nicht zu erröten» (vgl. Psalm 119). 

Foto Wikipedia

Die Adventszeit lädt uns somit ein, immer wieder voller Freude zu beten: Komm, Herr Jesus! «Können wir also um das Kommen Jesu beten? Können wir aufrichtig sagen: “Marana tha! Komm, Herr Jesus!”? Ja, wir können es. Nicht nur das. Wir müssen es! … Wir bitten ihn in Augenblicken persönlicher Bedrängnis: Komm, Herr Jesus und nimm mein Leben hinein in die Gegenwart deiner gütigen Macht. Wir bitten ihn, dass er Menschen, die wir lieben oder um die wir Sorge tragen, nahe werde. Wir bitten ihn, dass er in sei–ner Kirche wirksam gegenwärtig werde. Warum sollen wir ihn nicht bitten, dass er uns auch heute wieder neue Zeugen seiner Gegenwart schenke, in denen er selber kommt? Und diese Bitte, die nicht unmittelbar auf das Weltende zielt, aber doch wahre Bitte um sein Kommen ist, trägt in sich die ganze Welt der Bitte, die er selbst uns gelehrt hat: “Dein Reich komme!” Komm, Herr Jesus!» (Papst Benedikt XVI.)

In diesem Sinne allen eine besinnliche Adventszeit, damit Jesus komme!


Paul Martone

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