«Komm und sieh!»

Die grosse Bedeutung der direkten Begegnung

Am kommenden 16. Mai ist der 55. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel. Es ist ein Themensonntag, der leider oft zu wenig beachtet wird. Vielleicht weil manche meinen, dieser Sonntag und auch die Botschaft, die die Päpste in den vergangenen Jahrzehnten zu diesem Welttag jeweils veröffentlich hatten, seien nur etwas für Journalisten in Zeitung, Radio und Fernsehen. Dabei ist jeder Mensch, sei er gläubig oder nicht, ein Medienmensch, der bei der Begegnung mit anderen durch seine Worte und mehr noch durch seine Taten etwas berichtet. Darauf weist auch Papst Franziskus in seiner Botschaft zum diesjährigen Welttag der sozialen Kommunikationsmittel hin.

Gegen Hofberichterstattung
Der Papst stellt das «Komm und sieh!» Jesu in das Zentrum seiner Gedanken, die für ihn als «Anregung für jede kommunikative Ausdrucksform» gilt, wenn sie «klar und ehrlich sein will». Dies betrifft die Redaktion einer Zeitung ebenso wie die Welt des Internets, die alltägliche Verkündigung der Kirche und auch die politische oder gesellschaftliche Kommunikation. Dieses «Komm und sieh» ist für den Papst «die Art und Weise, auf die der christliche Glaube mitgeteilt wird, beginnend mit jenen ersten Begegnungen an den Ufern des Jordan und des Sees Genesaret». 
Diese ehrliche und klare Kommunikation kann aber in Gefahr geraten und zwar durch eine «Verflachung in “voneinander abkopierten Zeitungen” oder durch einander stark ähnelnde Nachrichtensendungen in Radio und Fernsehen sowie auf Internetseiten». Diese Gefahr wird grösser, wo die Recherche und Reportage an Raum und Qualität verlieren und durch eine vorgefertigte Form von ausgewählten Informationen zu einer «Hofberichterstattung» werden, der es immer weniger gelingt, die Wahrheit der Dinge und das konkrete Leben der Menschen einzufangen, und die weder die schwerwiegendsten gesellschaftlichen Probleme noch das Gute, das geschieht, zu vermitteln imstande sind. Grund dafür ist, dass viele Informationen nicht mehr direkt vor Ort gesammelt werden, sondern nur «vor dem Computer, in den Presseagenturen und in sozialen Netzwerken hergestellt werden, ohne jemals auf die Strasse zu gehen, ohne “sich die Schuhsohlen abzulaufen”, ohne Menschen zu begegnen, um nach Geschichten zu suchen oder bestimmte Situationen von Angesicht zu Angesicht zu verifizieren». Deshalb bleibt trotz aller technischen Hilfsmittel, die uns zur Verfügung stehen und die nützlich und wertvoll sein können, die Verpflichtung «hinauszugehen und Dinge zu sehen, von denen wir sonst nichts wüssten».

Persönliche Begegnung
«Worte bewegen, Beispiele reissen hin!», sagt ein Sprichwort, das schon zur Zeit von Jesus seine Gültigkeit hatte. Wer ihn kennenlernen wollte, wurde eingeladen zu ihm zu kommen und zu sehen. Durch diese persönliche Begegnung, durch das Verweilen bei Jesus lernten die Menschen ihn kennen und änderten ihr Leben. «Der christliche Glaube beginnt auf diese Weise. Und er wird so weitergegeben: als direkte Erkenntnis, hervorgegangen aus Erfahrung, nicht nur vom Hörensagen.» Diese Schritte sind auch heute noch richtig, «denn um zu erkennen, muss man sich begegnen. Ich muss dem Menschen, den ich vor mir habe, ermöglichen, zu mir zu sprechen, und zuzulassen, dass sein Zeugnis mich erreicht». Auch der Journalist muss hingehen und sehen. «Neugierde, Offenheit und Leidenschaft. Wir müssen danken für den Mut und den Einsatz so vieler Medienschaffender, die oft unter grossen Gefahren arbeiten», wenn sie über Armut, Menschenrechtsverletzungen, Ungerechtigkeit, Kriege und Unterdrückung von Volksgruppen berichten. «Es wäre ein Verlust nicht nur für die Information, sondern für die gesamte Gesellschaft und die Demokratie, wenn diese Stimmen verschwinden würden: unsere Menschheit würde ärmer werden.»

Chancen und Fallstricke im Internet
Das Internet und auch andere digitale Kanäle geben uns die Möglichkeit, Informationen aus erster Hand und zeitnah zu bekommen, was besonders bei Unglücksfällen und Katastrophen nützlich sein kann, wenn schnelle Hilfe erforderlich ist. Dann aber bietet uns das Internet die Möglichkeit, auch positive Geschichten und Ereignisse bekannt zu machen. Leider ist aber auch die Gefahr von «Fake News» gross, also von Nachrichten, die nicht nachgeprüft wurden, ja vielleicht nicht nachgeprüft werden konnten. «Wir wissen seit geraumer Zeit, wie leicht Nach–richten und sogar Bilder manipuliert werden können, aus tausenderlei Gründen, manchmal auch nur aus banalem Narzissmus.» Es wäre zu einfach, das Internet wegen diesen Gefahren zu verteufeln, aber wir müssen dieses sowohl bei der Verbreitung als auch beim Empfang von Inhalten, mit einem reifen kritischen Verantwortungsbewusstsein gebrauchen. «Wir alle sind verantwortlich für die Kommunikation, die wir betreiben, für die Informationen, die wir verbreiten, für die Kontrolle, die wir gemeinsam über falsche Nachrichten ausüben können, indem wir sie entlarven. Wir alle sind aufgerufen, Zeugen der Wahrheit zu sein: zu gehen, zu sehen und zu teilen.»


Pressekonferenz auf dem Flug von Antananarivo (Madagaskar) nach Rom, 10. September 2019. 
Foto: © KNA-Bild

Sprechen mit den Augen
Vor allem das direkte Sehen, ist dem Papst in seinem Schreiben wichtig, denn dieses persönliche Sehen, kann durch kein Internet komplett ersetzt werden. Gerade in unserer Zeit, die so geschwätzig ist, oder wie es ein Dichter sagte: «Er spricht unendlich viel nichts», ist die Begegnung von Mensch zu Mensch, von Herz zu Herz wichtig, denn man lernt auch durch Erfahrung und man kommuniziert nicht nur mit Worten, sondern auch mit Gesten, mit den Augen, mit der Körperhaltung, mit Taten. Aus diesem Grund war und ist das «Komm und sieh» von grundlegender Bedeutung. Die Menschen vor 2000 Jahren sind durch die direkte Begegnung mit Jesus zum Glauben gekommen. Die Frauen und Männer sind seiner Einladung «Komm und sieh!» gefolgt und waren beeindruckt von Jesu mitfühlender Menschlichkeit, die in seinem Blick und in seinen Taten spürbar wurde. Seine Zeitgenossen, die den Apostel Paulus predigen hörten, beeindruckte er vor allem durch seinen Glauben, seine Hoffnung und seine Liebe. Er würde heute sicher auch Internet und andere Netzwerke gebrauchen und wäre, nach einem Wort von Papst Johannes Paul I., wohl Journalist geworden. Seine Art in Christus zu leben, bezeugten dann auch seine Jünger, die er aussandte, sodass auch lange nach dem Tod des Paulus sein Zeugnis Menschen zu Christus führte. «So ereignet sich das Evangelium auch heute jedes Mal von Neuem, wenn wir das klare Zeugnis von Menschen empfangen, deren Leben, durch die Begegnung mit Jesus verändert wurde. Seit über 2000 Jahren ist es eine Kette von Begegnungen, die die Faszination des christlichen Abenteurers vermitteln. Die Herausforderung, die uns erwartet, besteht also darin, zu kommunizieren, indem wir den Menschen dort begegnen, wo sie sind.»
Texte aus der Botschaft zum Mediensonntag 2021 von Papst Franziskus

Der Patron der Presse
Jährlich veröffentlicht der Papst am 24. Januar eine Botschaft zum kommenden Welttag der sozialen Kommunikationsmittel. Der 24. Januar ist der Festtag des heiligen Franz von Sales, welcher 1922 zum Patron der Journalisten ernannt wurde. 
Franz von Sales wurde am 21. August 1567 auf dem Stammschloss der Familie Sales in Savoyen geboren. Nach Studien in Paris und Padua wurde er 1592 zum Priester geweiht. 1602 wurde er Bischof von Genf, wo er eine rege Tätigkeit zur Förderung des Glaubens entfaltete. Mit der hl. Franziska von Chantal gründete er 1610 den Orden der Heimsuchung Mariens. Auf einer Reise starb er in Lyon am 28. Dezember 1622. Im Jahr 1665 wurde er heiliggesprochen und 1877 zum Kirchenlehrer ernannt.

Gebet von Papst Franziskus
Herr, lehre uns, aus uns selbst herauszugehen, und uns auf den Weg der Suche nach Wahrheit zu machen. 
Lehre uns, zu gehen und zu sehen, lehre uns zuzuhören, nicht vorschnell zu urteilen, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. 
Lehre uns, dorthin zu gehen, wohin sonst niemand gehen will, uns die Zeit zu nehmen, zu verstehen, auf das Wesentliche zu achten, uns nicht von Überflüssigem ablenken zu lassen, den trügerischen Schein von der Wahrheit zu unterscheiden. 
Schenke uns die Gnade, deine Wohnstätten in der Welt zu erkennen, und die Ehrlichkeit, zu erzählen, was wir gesehen haben
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Grund für die Ernennung zum Patron der Journalisten war, dass Franz von Sales fünf Jahre als Missionar im Chablais am Genfersee tätig war, einem Gebiet, das zum Calvinismus übergetreten war und das er durch seine Bemühungen wieder für den katholischen Glauben gewann. Dies war höchst gefährlich, denn die calvinistischen Machthaber verboten der Bevölkerung unter Androhung von Strafen den Kontakt zu Franz. Dieser sann nach einer List und druckte seine Predigten auf Blätter, die er überall dort befestigte, wo Menschen lebten, arbeiteten und unterwegs waren. Trotz eines versuchten Attentats auf ihn und anderer Schwierigkeiten gab er nicht auf. Seine Beharrlichkeit machte sich bezahlt: seine Argumentation und seine Sprache waren so glaubwürdig, dass schon bald fast die ganze Bevölkerung wieder zum katholischen Glauben zurückgekehrt war. 
Als er 1602 zum Bischof von Genf ernannt wurde, wurde es für ihn schwieriger ins Gebirge zu steigen, um dort zu predigen. Deshalb schrieb er während seiner Amtszeit über 20 000 Briefe. Diese behandelten Fragen, wie wir sie heute in den Fragekästen unserer Zeitschriften finden; persönliche Briefe zwar, jedoch von allgemeinem Interesse; Briefe, die Antwort geben auf Fragen und Probleme des Lebens, Fragen höchst persönlicher und privater Art wie solche, die in das gesellschaftliche und selbst in das politische Leben tief eingreifen. Ein besonderes Produkt dieser Briefliteratur zeigt sich uns in der «Philothea» oder «Anleitung zum frommen Leben». Es wurde zum Beststeller und zählt bis heute zu den Hauptwerken der religiösen Literatur. Um die Leute zum Lesen zu animieren, beschrieb er darin weniger das fromme Leben als vielmehr die «Versuchungen», die das fromme Leben bedrohen. Dieses Werk, das noch heute einen Bestseller der religiösen Literatur darstellt, ist auch für die Menschen des 21. Jahrhunderts lesenswert.