Selig, die Frieden stiften

Auge um Auge

Foto: Juerg_Meienberg

Auf den ersten Seiten der Bibel ist schon vom Mord an einem Unschuldigen die Rede, als Kain seinen Bruder Abel erschlug, weil dessen Opfer bei Gott Wohlgefallen fand, sein eigenes von Gott jedoch nicht angeschaut wurde (Genesis 4, 3–16).

Die Rache fand schnell Eingang in die Gesetzgebung der Völker und wurde zu einem wahren Kreislauf der Gewalt: «Kain soll siebenmal gerächt werden, aber Lamech siebenundsiebzigmal» (Genesis 4, 24). Erst das Buch Exodus (21, 23–25) verlangt dann: «…so musst du geben Leben für Leben, Auge für Auge, Zahn für Zahn, Hand für Hand, Fuss für Fuss, Brandmal für Brandmal, Wunde für Wunde, Strieme für Strieme». Was auf den ersten Blick brutal klingt, ist in Wirklichkeit ein grosser Fortschritt in der Rechtsgeschichte und zeigt, dass das Alte Testament nicht so rachsüchtig ist wie viele meinen. Die Bestimmungen im Gesetz des Mose haben einen klaren Sinn: denn es verlangt bei Körperverletzung mit Todesfolge vom Täter einen angemessenen finanziellen Schadenersatz, um damit die im Alten Orient weitverbreitete Blutrache ausser Kraft zu setzen und das Ausmass der Rache auf nur eine Person zu begrenzen, damit sie nicht immer weitergeht, eskaliert, ausser Rand und Band gerät und die Menschen schlussendlich härter zurückschlagen als das Unrecht, das ihnen angetan wurde. 
Jesus kommt in seiner Bergpredigt auf diese Vorschrift zu sprechen und führt sie weiter, indem er verlangt, dass man demjenigen, der einem etwas Böses antut, keinen Widerstand leistet, sondern auch die andere Wange hinhält (Matthäus 5, 38–39). Jesus hebt das mosaische Gesetz nicht auf (Matthäus 5, 17), sondern lehnt dessen falsche Auslegung durch einige religiöse Führer der Juden ab, die das Prinzip der Vergeltung lehrten. Jesus meint damit nicht, dass wir Böses gutheissen sollen, sondern er macht deutlich, dass es besser ist Unrecht zu erleiden als Unrecht zu tun und dass wir unseren Feinden mit Liebe begegnen sollen: «Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte…» (Matthäus 5, 44).
Paulus bestätigt im Römerbrief (12, 17–21), dass die Lehre Jesu mit dem Alten Testament übereinstimmt, wenn er Jesu Gebot der Feindesliebe mit dem biblischen Racheverbot (Deuteronomium 32, 35) begründet. Höhepunkt der Bergpredigt bildet der Satz Jesu: «Selig die Frieden stiften, denn sie werden Söhne (und Töchter) Gottes genannt werden» (Matthäus 5, 9).

Paul Martone

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