Von Gottes Ja zum Menschen – Vom Ja des Menschen zu Gott

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Ein «schönes» Sprichwort lautet: «Von der Wiege bis zur Bahre füllt der Schweizer Steuerformulare». Nun betrifft dieses Zitat, ob wahr oder nicht, will ich hier nicht beurteilen, natürlich nicht nur die Schweizer Bürger, sondern alle Menschen auf der Erde.
Etwas, das auch alle Menschen während ihres ganzen Lebens begleitet, ist das Wasser. Wasser ist ein Ursymbol für Leben, Wachstum, Reinigung und Neubeginn. Wir wissen, dass ohne Wasser kein Leben entstehen und niemand überleben kann. Nicht umsonst wurden im Christentum die Erfahrungen und das Wissen der Menschen um die heilende und lebenspendende Kraft des Wassers auf Jesus übertragen, der für Christen Leben, Reinigung und Kraft ist. Das Wasser hat deshalb im Leben der Christen eine tiefe Symbolik erhalten und zwar von der Wiege bis zur Bahre.

Foto: © DR – Pfarrei

Nicht auf Papst oder Kirche getauft 
Wobei: So ganz stimmt das Zitat im Blick auf das Leben eines Menschen nicht, denn schon vor der Geburt spielte das Wasser im Leben des Menschen eine wichtige Rolle, wächst menschliches Leben ja im Wasser heran, im Fruchtwasser, um genau zu sein. Und bereits dort hat mich Gott in seinen Blick genommen, wie es beim Propheten Jeremia heisst: «Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoss hervorkamst, habe ich dich geheiligt». Und nun schenkt mir dieser Gott Leben und Zukunft in dieser Welt.
Nach der Geburt werden Menschen, die Christen sein wollen, getauft. Und wiederum spielt hier das Wasser eine grosse Rolle, denn durch das Taufwasser
wird ihnen neues Leben geschenkt und Erlösung zugesprochen. «Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes», sagt der Priester beim Giessen des Wassers über den Kopf des Täuflings. Man wird also nicht auf den Papst oder die katholische Kirche getauft, sondern auf den dreieinigen Gott. Und dieser Gott wiederholt immer wieder sein Versprechen, das er mir schenkte, «ehe ich im Mutterleib geformt wurde»: Er begleitet mich während meines ganzen Lebens, er hat mich in seine Hand «eintätowiert», so dass er mich nie vergessen kann: «Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, ohne Erbarmen sein gegenüber ihrem leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergisst: Ich vergesse dich nicht» (Jesaja 49, 15). Gibt es ein schöneres Versprechen?

Foto:© DR

Nicht nur Erinnerung
Gott vergisst mich nicht, doch viele Menschen vergessen Gott, sagen sich von ihm los und wollen mit ihm nichts mehr zu tun haben. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns immer wieder an diese göttliche Zusage erinnern. Dies geschieht jedes Jahr in der Gedächtnisfeier des Leidens und Sterbens Jesu am Karfreitag und dann in der Osternacht am Karsamstag. Da wird uns vor Augen geführt, dass Gott sein Verspechen einlöst und alles einsetzt, um uns Menschen zu retten. Er gibt das Wertvollste, seinen Sohn in den Tod, um uns zu zeigen, dass er treu ist. 
Mit dem Erinnern an den Tod und die Auferstehung Jesu und damit an die Treue Gottes ist es jedoch nicht getan! Die Feier der Osternacht macht deutlich, dass unsere Entscheidung für oder gegen ein Leben mit Gott hier und heute gefragt ist. Die meisten von uns wurden als Kleinkinder getauft, ohne dass wir damals gefragt wurden. Deshalb wird die Kindertaufe von verschiedenen Freikirchen infrage gestellt und abgelehnt. 

Taufe von Säuglingen
Die Taufe eines Kleinkindes macht jedoch deutlich, dass Gottes Geschenk an uns Menschen an keine Vorbedingung geknüpft ist. Er schenkt uns seine Liebe, einfach weil wir da sind. Die Taufe ist nicht in erster Linie unser Tun, sondern ein Tun Gottes an uns. In der Taufe wird uns nämlich ganz persönlich zugesagt, dass Gott uns als seine Kinder ansieht, und er sich mit uns verbunden hat. 
Man sagt, das Kind solle sich einmal selber entscheiden, ob es getauft werden möchte oder nicht. Das klingt schön und vielleicht sogar fürsorglich und modern, aber es verkennt, dass Eltern ihre Kinder in vielerlei Hinsicht auf einen bestimmten Weg ins Leben bringen müssen – und auch sollen!

                                                                                                                 

Foto: © Pfarrei Ried-Brig


Eltern müssen ja auch entscheiden, auf welche Schule ihr Kind geht, ob und welchen Sport es ausüben soll, welche Bücher es liest, welche Computerspiele es spielt. Ein unmündiges Kind taufen zu lassen bedeutet, mich dafür zu entscheiden, dass mein Kind mit Gott ins Leben geht. Und daraus folgt, dass ich mein Kind mit Gott, mit Glauben und Kirche in Kontakt bringe. Ob es diesen Weg mit Gott später, wenn es für sein Leben selbst verantwortlich ist, weitergehen mag, steht ihm frei. Aber jedes Jahr in der Osternacht hat der Christ in der Erneuerung des Taufversprechens die Möglichkeit in voller Freiheit sein Ja zum Angebot Gottes zu sagen, dass wir an seinem Leben teilhaben wollen. Dieses Ja schliesst natürlich auch alles mit ein, was uns als Weisung für das Leben von Gott gegeben wurde. 

Foto: © Alfons Weber

Vorleben
Die freie Entscheidung, mit meinem Leben in all seinen Bereichen auf das Angebot Gottes eingehen zu wollen, ist wohl in besonderer Weise eine Anforderung unserer Zeit. Vielleicht ist das eine der wesentlichsten Veränderungen in den letzten Jahrzehnten in unserem Land. Katholisch zu sein, gehört nicht mehr «automatisch» dazu, ist keine Selbstverständlichkeit mehr, die alles prägt und bestimmt. Deshalb braucht es gerade heute Eltern und Paten, die ihrem Kind den Glauben vorleben, damit die kleinen und die grossen Kinder an ihnen ablesen können, was es heisst, Christ zu sein. Nicht umsonst schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth: «Unverkennbar seid ihr ein Brief Christi, ausgefertigt durch unseren Dienst, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf Tafeln aus Stein, sondern – wie auf Tafeln – in Herzen von Fleisch».

Den Schuldbrief ausgelöscht
Im österlichen Lobgesang, dem «Exsultet» (frohlocket, jauchzet) steht der Satz, dass Christus «den Schuldbrief ausgelöscht (hat) mit seinem Blut, das er aus Liebe vergossen hat».Gott ist barmherzig:Das ist die Basis unseres Glaubens. Nur leider ist der Mensch unbarmherzig gegenüber seinen Mitmenschen, weil er nicht vergisst, was der andere ihm schuldet, und andererseits weil er sehr wohl vergisst, was ihm erlassen worden ist. So kann der Mensch Gottes Barmherzigkeit kaputt machen. Dabei ist das «Vergessen können» durchaus eine positive Eigenschaft. Vergessen – das heisst nicht: verdrängen, sich nicht mehr erinnern, die Vergangenheit auslöschen wollen, sondern: nicht mehr darin verhaftet sein, loslassen können. So können wir auch frei werden und Raum schaffen für etwas Neues, für Gottes schöpferisches Handeln in unserem Leben. Es kann auch heissen: sich versöhnen mit der eigenen Lebensgeschichte.
Eng mit dem Vergessen ist auch das Vergeben verbunden! Auch wenn wir manche Dinge vielleicht nicht vergessen können, so können und sollen wir als Christen immer wieder bereit sein zur Vergebung. Wir schenken damit uns und den anderen, die unsere Vergebung erbitten, die Möglichkeit zu einer neuen Beziehung und zu einem Neuanfang.
Gut fasste diese Gedanken Sr. Theresia Mende von Augsburg in einem Exerzitienvortrag zusammen: «So dürfen wir uns bewusst sein: Es gibt nichts in unserem Leben, auch nicht die grösste Schuld und nicht die schlimmste Sünde, von dem wir einmal sagen müssten: Ach, wäre es doch nie gewesen! Nein, Gott wird auch die dunkelsten Phasen meines Lebens in Heil und Segen verwandeln. Nicht vernichten, sondern verwandeln, nicht verfluchen, sondern segnen ist die Handlungsweise Gottes. Gerade daran können wir erkennen und erfahren, wie gross die Liebe Gottes zu uns ist. Lassen wir uns am Osterfest ruhig einmal überwältigen von der Grösse und Unerschütterlichkeit der Liebe Gottes. Es gilt doch für einen jeden Christen ganz persönlich: In der Taufe wurde mein alter Adam “vernichtet” – er ist, wie Pater Buob einmal so nett auf schwäbisch sagte: im Taufwasser ersoffen – und der neue Adam ist aus ihm aufgetaucht. Deshalb erneuern wir in jeder Osternacht mit besonderer Feierlichkeit unsere Taufe».

Paul Martone

Foto: © Sr Catherine
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