Wenn einer eine Reise tut…


Reisender (2013), Skulptur von Bruno Catalano, Beaune, Frankreich. Foto Poss

Möglichkeit zu einer Glaubens- und Gotteserfahrung

In den kommenden Wochen werden viele unserer Leserinnen und Leser in die Ferien verreisen. Sie werden sich auf den Weg machen, um Ruhe und Erholung zu suchen, aber auch um Neues, Exotisches und Spannendes zu entdecken. Manche verbringen ihren Urlaub in der Schweiz, andere fliegen in die weite Welt hinaus.
Wohin die Wege auch führen, ich wünsche allen gute Ferien! Kommen Sie gesund an Leib und Seele wieder zurück und vergessen Sie auch all jene nicht, die keine Ferien haben.

Die Bibel berichtet immer wieder, wie Menschen ihre Heimat verlassen, sich auf den Weg gemacht haben und in ferne Länder gezogen sind, um dort ein neues Leben zu beginnen. Diese Wege sind die Männer und Frauen der Heiligen Schrift meistens jedoch nicht ganz freiwillig gegangen, sondern oft, weil Gott sie herausgerufen hat, oder feindliche Völker oder Könige sie dazu gezwungen haben. An ein bequemes Reisen in der Businessclass wollen wir schon gar nicht denken. Schauen wir uns im Folgenden ein paar dieser biblischen «Reisenden» an.

Die Leute vom neuen Weg
Wer aufbricht – sei es in die Ferien, oder um einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen, begibt sich auf einen neuen Weg. Oft weiss man nicht wohin er letztlich führt, manchmal muss man ein Teilstück vielleicht sogar «blind» gehen, vielleicht auch im Vertrauen auf Jesus Christus, der von sich sagt, dass er der Weg, die Wahrheit und das Leben ist (Johannes 14, 6), der die Menschen zum Heil führt. Jeder, der Jesus und seiner Botschaft begegnen durfte, merkte, dass jetzt ein neuer Weg beginnt. Wer mit dem Herrn zusammen den Lebensweg geht, wird sich nicht verlaufen. Diese Erfahrung durften bereits die ersten Christen machen, die sich auf dieses Wagnis eingelassen haben und deshalb schon früh als «Anhänger des neuen Weges» (Apostelgeschichte 9, 2) bezeichnet wurden. Diese Gruppierung wurde zuerst nur als kleine jüdische Sekte betrachtet, die jedoch schon bald einen grossen Zulauf verzeichnen konnte. So begann das Christentum seinen Weg in die Zukunft, die niemand planen und vorhersehen konnte. Ungefähr 49 nach Christus und zwar in «Antiochia, nannte man die Jünger zum ersten Mal Christen» (Apostelgeschichte 11, 26). 

Wegweisender Paulus
Der Luxemburgische Kirchenhistoriker Victor Conzemius bezeichnet den Apostel Paulus als «wegweisend» für die Entwicklung zur Weltreligion. Paulus hat Jesus nicht persönlich gekannt, vielmehr bekämpfte er aus Treue zur Überlieferung der Väter diesen neuen Weg. Er erhielt vom Hohepriester Briefe, die es ihm erlaubten, die Anhänger des neuen Weges, Männer und Frauen zu fesseln und nach Jerusalem zu bringen, um sie dort aburteilen zu lassen. Es brauchte ein göttliches Eingreifen, um das Leben des Paulus total zu verändern. Er musste vom «hohen Ross» fallen und erblinden, damit er sehe, was vor Augen liegt: «Unterwegs aber, als er sich bereits Damaskus näherte, geschah es, dass ihn plötzlich ein Licht vom Himmel umstrahlte. Er stürzte zu Boden und hörte, wie eine Stimme zu ihm sagte: Saul, Saul, warum verfolgst du mich?» (Apg 9, 3). Gott beauftragte dann den Jünger Hananias, sich um Paulus zu kümmern, denn der bekehrte Saulus sollte «ein auserwähltes Werkzeug» sein und Gottes «Name vor Völker und Könige und die Söhne Israels tragen» (Agp 9, 15). Seit diesem Augenblick hatte das Leben des Paulus nur noch ein Thema: Christus, der ihn zum Apostel berufen hatte und der für ihn das Leben und das Heil der Menschen bedeutet (Phil 1, 21). 

Karten und Paulus aus: http://www.kath.ruhr-uni-bochum.de/imperia/md/content/nt/nt/aktuellevorlesungen/
vorlesungsskriptedownload/
missionsreisen_des_paulus_apg_ws_201617_ppp.pdf

25 000 Kilometer

Er ist dann viele und weite Wege gegangen, um die Botschaft Jesu in der ganzen Welt zu verkünden. Ohne zu übertreiben, kann man ihn wohl als den ersten christlichen «Weltenbummler» bezeichnen, der jedoch für seinen Herrn vielerlei Strapazen auf sich nahm, so dass man seine Wege nicht als Wellnessreise beschreiben kann: «Fünfmal erhielt ich von Juden die vierzig Hiebe weniger einen; dreimal wurde ich ausgepeitscht, einmal gesteinigt, dreimal erlitt ich Schiffbruch, eine Nacht und einen Tag trieb ich auf hoher See. Ich war oft auf Reisen, gefährdet durch Flüsse, gefährdet durch Räuber, gefährdet durch das eigene Volk, gefährdet durch Heiden, gefährdet in der Stadt, gefährdet in der Wüste, gefährdet auf dem Meer, gefährdet durch falsche Brüder. Ich erduldete Mühsal und Plage, viele durchwachte Nächte, Hunger und Durst, häufiges Fasten, Kälte und Nacktheit. Um von allem andern zu schweigen, dem täglichen Andrang zu mir und der Sorge für alle Gemeinden: Wer ist schwach und ich bin nicht schwach? Wer kommt zu Fall und ich werde nicht von brennender Sorge verzehrt?» (2. Kor 11, 23–29).
Die Liste seiner Weggefährten und Mit-reisenden ist lang, meist war er mit anderen Leuten unterwegs, die auch nicht immer einfach waren. Je nach Berechnung sind es zwischen 20 000 und 25 000 Kilo-meter, die Paulus zu Fuss oder per Schiff in diesen Jahren zurückgelegt hat. Dieses Unterwegssein war beschwerlich und gefahrvoll, doch konnte nichts ihn aufhalten. Das ist eindrücklich – bis heute.

40jährige Wanderschaft
Einen langen Weg unter seine Füsse nehmen, musste auch das Volk Israel. Während 40 Jahren irrte es in der Wüste umher, bis es schliesslich das gelobte Land erreichte, in dem Milch und Honig flossen. Auch hier alles andere als ein Wellnesstrip oder eine Abenteuerreise, sondern ein Kampf auf Leben und Tod. «Kein Ereignis der Geschichte Israels wird so häufig genannt, und keines nimmt auch nur annähernd eine so zentrale Stelle im Glauben Israels ein. Nicht zufällig hat man die Religion als “Religion des Auszugs” bezeichnet. Das alte Israel verstand den Auszug aus Ägypten als den Anfang seiner Geschichte.» Erst hier ist von einem Volk die Rede und von der theologischen Geschichte Gottes mit seinem Volk. Im Zentrum des jüdischen Bekenntnisses steht der Auszug aus Ägypten im Zentrum: «Wir waren Sklaven des Pharao in Ägypten und der Herr hat uns mit starker Hand aus Ägypten geführt.

Foto: ESA

Der Herr hat vor unseren Augen gewaltige, unheilvolle Zeichen und Wunder an Ägypten, am Pharao und an seinem ganzen Haus getan» (Dtn 6, 21–22). Auf diese erste Heilstat Gottes an Israel gründet die Existenz Israels und das spezielle Verhältnis zwischen Jahwe und seinem Volk. Israel war jedoch nicht ein Volk, das leicht zu führen gewesen wäre, denn immer wieder berichtet das Buch Exodus über Unzufriedenheit, Klagen, sogar Anklagen des Volkes und vom mangelnden Glauben Israels. Auf der anderen Seite bezeugt diese Geschichte die Fürsorge Gottes, der in den Gefahren der Wüstenwanderung dem Volk wie ein fürsorglicher Vater gibt, was es zum Leben notwendig hat. «Ziel solchen Wanderns ist das verheissene Land, der Inbegriff des Lebens, zu dem Jahwe sein Volk berufen hat. Pilgerschaft durch die Wüste heisst so gesehen: unterwegs mit Gott, dem verheissenen Leben entgegen und dieses geglückte Dasein in der Gemeinschaft mit Gott und den Mitziehenden immer wieder neu und tiefer erfahren. Trotz des menschlichen Versagens bleibt die Wüste der Ort der besonderen Nähe und Fürsorge Gottes» (Walter Bühlmann).
Wüstenerfahrungen bleiben auch den Menschen von heute nicht erspart. Julius Angerhausen (1911–1990) fasst dies gut zusammen: «Was ist meine Wüste? Erfolglosigkeit – Krankheit? – Einsamkeit? Trost-lose Trockenheit des religiösen Lebens? – Depression? Keinem wird der Weg durch seine Wüste erspart. Jeder muss dazu bereit sein, sich in seiner Wüste aufzuhalten. Wer die Gunst Gottes will, seinen fruchtbaren Gnadentau, muss auch die Tränen der Wüste wollen».

Ökologisch reisen
Viele Menschen sind im Laufe der Jahrtausende von Gott auf den Weg geschickt worden. Neben den genannten Personen kann auch die Wanderung Abrahams nach Kanaan erwähnt werden mit der Verheissung Gottes ihn und seine Nachkommen zu einem grossen Volk zu machen. Wir kennen auch die stürmische Reise des Noach mit seiner Arche, die während 150 Tagen durch Wind und Wellen hin und her geworfen wurde. Denken wir auch an Maria und Josef, die mit ihrem neugeborenen Kind 900 km nach Ägypten fliehen mussten, weil Herodes ihren Sohn Jesus töten lassen wollte.
Reisen bildet und tut schon seit jeher der Seele gut! Das Unterwegssein bietet in der Bibel oft die Möglichkeit zu einer Glaubens- und Gotteserfahrung. Neben den oben genannten Erfahrungen Israels oder des Propheten Elija in der Wüste ist der Traum Jakobs auf der Flucht vor seinem Bruder ein eindrucksvolles Beispiel. In diesem Traum erhält Jakob mitten in der Fremde die ermutigende Zusage: «Ich bin mit dir, ich behüte dich, wohin du auch gehst, und bringe dich zurück in dieses Land» (Gen 28, 15). Im Neuen Testament gehen den Emmausjüngern un-terwegs zwischen Jerusalem und Emmaus die Augen auf, so dass sie mit einem Mal die Nähe des Auferstandenen erkennen können. 

Foto: DR

Diese Chance zur Gottesbegegnung und der Vertiefung unseres Glaubens ist auch heute noch möglich, wenn wir aufbrechen, Althergebrachtes hinter uns lassen, oder einfach irgendwo hingehen, wo wir unsere Seele baumeln lassen können. Das muss nicht weit weg sein, denn auch in unserer Umgebung hat es schöne und verträumte Plätze, wo man zur Ruhe kommen kann und das alles ohne allzu viel CO2 Ausstoss und ohne zu grossen ökologischen Fussabdruck. In diesem Zusammenhang hat Papst Franziskus sich für entschleunigten Tourismus ausgesprochen. Im Gegensatz zu Massentourismus stehe ein «langsamer Tourismus» für Qualität, Solidarität und Nachhaltigkeit, sagte das Kirchenoberhaupt. Ein Reisen, das nicht den Gesetzen des Konsums folge oder auf ein blosses Anhäufen von Erlebnissen ziele, könne die Begegnung zwischen Menschen und Territorien fördern und gegenseitigen Respekt wachsen lassen. Dieser Stil helfe auch, «jeden Moment des Alltags anders und be–wusster zu leben», so der Papst.

Paul Martone

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